Porträt Gute Geigen sind wie ein Brief – man erkennt sie an der Handschrift

Düsseldorf · Porträt Wir haben den Düsseldorfer Geigenbauer Rodolfo Angilletta besucht. Ein Einblick in eine kunstvolle Welt.

 Rodolfo Angilletta ist Geigenbaumeister in Düsseldorf und hat seine Kunst unter anderem in Italien gelernt.

Rodolfo Angilletta ist Geigenbaumeister in Düsseldorf und hat seine Kunst unter anderem in Italien gelernt.

Foto: Christian Oscar Gazsi Laki

Würde er nicht ein bedrucktes, schwarzes T-Shirt tragen, könnte man denken, er sei just aus einem italienischen Renaissance-Bild entstiegen. Ein sanfter Mann mit gelockten langen Haaren, die zu einem Zopf zusammengebunden sind. Rodolfo Angilletta – der Name scheint Programm, wenngleich er nicht in Italien sondern als Kind von Einwanderern in Recklinghausen geboren wurde – ist Geigenbaumeister. Er strahlt eine Ruhe und Ernsthaftigkeit aus, die spüren lässt, welche Konzentrationsfähigkeit hinter diesem Menschen stecken muss, denn eines ist gewiss: Geigen zu bauen oder selbst zu reparieren, ist eine Kunst. Das betont auch Angilletta vehement, wenn man ihn auf das Thema anspricht, wie es sich mit der Kunst hinter dem Handwerk des Geigenbauens verhält.

In seiner Werkstatt, dem Herzen seines Geschäftes an der Wallstraße, das er übrigens 2010 aus traditionsreichen Händen übernommen hat – das Streicher-Kleinod gehörte zuvor Johann Scholtz – fühlt man sich von den so profanen Dingen des Alltags entrückt. Streichinstrumente, es sind nicht nur Geigen, bevölkern die hölzern warme Atmosphäre, Werkbänke warten auf mal wertvolle, mal weniger hochpreisige Instrumente, um repariert, gehegt und gepflegt zu werden.

Man müsse auch ein bisschen Psychologe sein

Der Geigenbaumeister, der vor vielen Stationen im Zentrum der Geigenbaukunst in Cremona ausgebildet wurde, wollte schon in seiner Jugend etwas mit Musik machen. Er spielte sogar in einer Band, fing schließlich an Elektrotechnik zu studieren. Doch sein Herz schien ihn auf die richtigen Pfade zu lenken, und so fand er seine Berufung; eine Berufung, die nicht nur heißt Streichinstrumente zu bauen, sondern auch als Fachmann Musikern und Interessierten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Ich würde sagen, Instrumente sind der Partner der Musiker. Man kann einen Partner heiraten, eine Kurzzeitbeziehung eingehen oder sich auch scheiden lassen“, erklärt Angilletta. Manche würden ihr Instrument sogar missbrauchen. Es gebe Musiker, die pflegen ihr Instrument mit Argusaugen, wiederum andere würden sie vernachlässigen. „Man muss auch ein bisschen Psychologe sein“, sagt er. Doch er arbeitet betont und bewusst auch gerne mit Kindern. Denn Angilletta vermietet und kümmert sich auch um Kindergeigen. „Wenn wir Kinder nicht mit vernünftigen Instrumenten spielen lassen, wie sollen sie spielen lernen?“, sagt er. Wenngleich das deutsche Wort „Spielen“, in Bezug auf ein Instrument, ihn immer schon gestört habe. Das suggeriere, es sei Spielzeug und wenn man Musik mache, solle man das ernsthaft machen.

Woran kann man eigentlich erkennen, welche Geigen besonders wertvoll sind? „Mein Vorgänger hatte einen schönen Vergleich: Wenn Sie eine Reihe handgeschriebene Briefe ausgehändigt bekommen, können Sie einen Brief Ihrer Mutter ausmachen?“, fragt der Meister. Woran erkennt man ihn? An der Handschrift. So sei es auch bei Geigen. „Ich mache seit 25 Jahren nichts anderes als Geigen anzusehen“, sagt er. Die Erfahrung muss man sich erarbeiten. Und man muss Verständnis haben für die „Geheimnisse“ hinter diesen hölzernen Instrumenten. Holz habe einen Memory-Effekt – Geigen prägen den Instrumentalisten und werden umgekehrt von den Geigern geprägt.

Es gibt übrigens an Streichinstrumenten einige Teile, die regelmäßig erneuert werden müssen – und das selbst ohne die Bögen zu berücksichtigen. „Bestimmte Teile der Geige machen die Skulptur eines Meisters aus“, er zeigt behutsam die Teile an einem in Arbeit befindlichem Instrument: Boden, Decke, Zarge und Schnecke (der kunstvoll gearbeitete Kopf des Halses) – „alle anderen Teile sind Verschleißteile“. Doch just an diesen meisterlichen Teilen kann man die große Kunst eines jeden Geigenbaumeisters erkennen. Will man ein Instrument verändern, seien einige Sachen möglich, erklärt Angilletta; doch achte er immer darauf, Kulturgut nicht zu gefährden. Nur weil es der Besitzer so wolle – beispielsweise – kurzerhand die Lackfarbe zu ändern, das kommt bei ihm nicht in Frage. „Zum Glück habe ich es nicht nötig, so etwas machen zu müssen.“ Es gebe gewisse Grenzen, die ein Instrument kann. Und manchmal müsse man einem Musiker auch empfehlen, sein Instrument zu tauschen, wenn es einfach nicht zu passen scheint.

Hierbei ist es essentiell, sich darüber klar zu sein, wie unterschiedlich Instrumente klingen, welche Nuancen, welche Färbungen sie im Ton haben. Wichtig sei dem Meister, dass die Instrumente eine Echtheit und Originalität haben.

Und für was steht er im Speziellen? Angilletta zögert; sagt, das könne er selbst nicht sagen, das müssten andere beurteilen. Doch dann fällt wieder das Wort: ernsthaft. Er möchte vor allem ernsthaft sein.

Angilletta betreut Kunden von Nah und Fern; unter anderem die Instrumente der Rubinstein-Akademie in Düsseldorf. Auch viele Musiker von den Düsseldorfer Symphonikern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort