Große Gesten eines Profis

Starpianist Lang Lang verzichtet auf leichte Kost und spielt in der ausverkauften Tonhalle Beethoven, Albéniz und Prokofjew.

Düsseldorf. Lückenlos besetzt ist die Tonhalle, als der chinesische Superstar Lang Lang (28) das Podium betritt. Nicht ein freier Platz weit und breit. Wer noch rechtzeitig eine der schon seit Monaten ausverkauften Karten ergatterte, ließ wohl nichts mehr dazwischen kommen. Der sich da so fröhlich und erfolgsgewiss an den Flügel setzt, ist zweifellos der populärste Pianist der Welt.

Doch Lang Lang bietet keine leichte Kost, weder Chopin noch Liszt. Neben zwei Klaviersonaten Ludwig van Beethovens setzt er anspruchsvolle Musik des 20. Jahrhunderts aufs Programm, Sergej Prokofjews 7. Sonate und drei Stücke aus der Iberia-Suite des Spaniers Isaac Albéniz. Insbesondere die nur wenig melodiöse, dafür recht dissonante und rhythmisch perkussive Prokofjew-Sonate bedarf der musikalischen Eingewöhnung. Den schnellen Schlusssatz, der ein bisschen an ein virtuoses Schlagzeugsolo erinnert, meistert der Pianist mit hoher Geschwindigkeit und eleganter Spieltechnik. Er spielt den Satz so entspannt, als sei nichts dabei, so viele Noten auf einmal zu bewältigen.

Lang Lang erntet immer wieder großen Beifall, auch mitten im Stück. Der zur musikalischen Sache gehörende tonlose Raum zwischen den Sätzen einer Komposition wird bedenkenlos mit Applaus zugeschüttet. Ein Beinah-Popstar wie Lang Lang ist an diese weltweit verbreitete Unsitte gewöhnt und verzieht keine Miene. Er verdient ja auch nicht schlecht an dem breiten Zuspruch auch von Fans jenseits der eingeschworenen Klassik-Gemeinde. Und die Gagen im knapp sechsstelligen Bereich sind wohl nur mit vollen Häusern und Ticketpreisen oberhalb der 100-Euro-Marke möglich.

Die pianistischen Qualitäten des zur Selbstdarstellung neigenden Medienprofis verdienen unterdessen großen Respekt. Lang Lang verfügt über eine brillante Technik, phänomenale Geläufigkeit und einen warmen, weichen Anschlag.

Er spielt wie Anna Netrebko singt: wunderschön, aber auch ein bisschen langweilig. Zu seiner Außenwirkung gehören große pianistische Gesten mit weit in die Luft gehobenen Armen und das Wenden des von Gefühlsmimik verzückten Gesichts zum Publikum.

Doch am Ende fehlt der musikalischen Darbietung des gefeierten Musikers der mitreißende leidenschaftliche Ausdruck. Die virtuosen Akkordbrechungen im ersten und die rasante Schluss-passage im dritten Satz von Beethovens „Appassionata“ schafft er ohne groß ins Schwitzen zu kommen. Er wirkt wie ein Dandy, der furchtlos und entspannt gefährliche Raubtiere bändigt. Das fasziniert auf eigene Weise, rüttelt aber nicht auf. Es scheint, als ginge es dem Pianisten nicht so sehr um das Wesen der Komposition, sondern vorrangig um den eigenen glänzenden Auftritt vor einem möglichst großen Publikum. Da wird aus dem revolutionären Feuerkopf Beethoven schnell ein putziges Porzellanpüppchen.

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