Ein neuer Düsseldorf-Roman „The Sweet wohnen im Garten unter dem Rasen und Heino im Keller“

Interview | Düsseldorf · Im neuen Roman reist der aus Düsseldorf stammende Journalist und Buchautor zurück in die 70er – und in seine Jugendzeit am Rhein.

 Seit 30 Jahren lebt Alexander Gorkow in München, vermisst seine Heimatstadt Düsseldorf jedoch sehr.

Seit 30 Jahren lebt Alexander Gorkow in München, vermisst seine Heimatstadt Düsseldorf jedoch sehr.

Foto: Alessandra Schellnegger

In seinem autobiografischen Roman „Die Kinder hören Pink Floyd“ erinnert sich Alexander Gorkow (54) an seine Kindheit in Büderich. Im Garten sprüht der Vater Gift, die linksradikale Schwester streitet, und der kleine Alexander träumt davon, die berühmte Pyramide auf dem Plattencover von Pink Floyd in den Wolken zu sehen. Inzwischen lebt Alexander Gorkow in München, aber da ist immer die Sehnsucht nach Düsseldorf, die mit den Jahren wächst.

Herr Gorkow, wann haben Sie zuletzt Pink Floyd gehört?

Alexander Gorkow: Ich gestehe: heute. „Comfortably Numb“. Youtube.

Im Buch outen Sie sich als begeisterter Hörer von Julio Iglesias. Ich frage mich gerade, wie wohl Ihre Mixtapes aus dieser Zeit geklungen haben.

Gorkow: Ja, naja, erwischt – also: Coolness zählt und zählte nicht, finde ich. Hat mich auch nicht beim Schreiben des Buches interessiert. Das wäre ja langweilig geworden. Wir verbinden Musik mit Menschen und Erinnerungen. Julio Iglesias gehört für mich dazu, wenn ich über diese Zeit schreibe. Ich heul’ ja heute noch – wenn ich ihn irgendwo am Strand im falschen Moment höre – Rotz und Wasser. So einfach ist das manchmal mit Musik. Und so kompliziert.

Waren Pink Floyd in den 80ern eigentlich noch cool?

Gorkow: Nein. Heute sagt man „Klassiker“. Aber in den 80ern waren sie äußerst uncool. Natürlich habe ich auch andere Sachen gehört damals. Ich sag nur: Ratinger Hof. Als ich ’87 gesagt habe, ich gehe zum Pink-Floyd-Konzert, haben mich meine Kumpel angeschaut, als sei ich nicht ganz dicht. Das waren alte Rockmillionäre, die galt es abzulehnen. Heute ist klar: Olymp. So etwas entscheiden keine Journalisten. So was entscheidet die Zeit.

Viele alte Bands stehen heute wieder auf der Bühne, wenn auch nicht immer in der
Urbesetzung.

Gorkow: Stimmt, zumindest die großen Bands kommen immer mal wieder. Aber wer würde heute noch Barclay James Harvest hören? Das war was für eine Runde Vanilletee. Pink Floyd haben Kunst produziert, das ist mehr als Vanilletee, und ich glaube weder, dass sie noch mal physisch wiederkommen, noch, dass die Musik je weg war.

Obwohl es als Roman deklariert ist, trägt Ihr neues Buch wie schon das vorherige, „Hotel Laguna“, autobiografische Züge. Wieviel Alexander Gorkow steckt ihn der Geschichte?

Gorkow: Sehr viel. Erinnerungen, Träume und Gedanken. Die Romanform wähle ich aus Selbstschutz. Wir wissen alle, dass die Erinnerung trügt, und ich möchte auch niemanden verletzen. Alle Menschen, die darin vorkommen, sind real – zumindest in meiner Erinnerung. Deshalb habe ich teils Namen verfremdet, ebenso wie einige Ereignisse, die ich für das Buch vor allem zeitlich verdichtet habe.

Wer in den 1970er-Jahren in Düsseldorf aufgewachsen ist, der wird sich an viele Orte und Geschäfte aus Ihrem Buch erinnern. Da weht ein Hauch Wehmut durch die Seiten. Sind Sie ein nostalgischer Mensch?

Gorkow: Ich erinnere mich viel und stark. Im Moment mache ich mir über vieles Gedanken, altersbedingt geht man ja so langsam ins Abendrot. Also kommen die Fragen, das kennt wohl jede und jeder: Was war wie prägend? Wieso erinnere ich dieses eine Ereignis so genau, obwohl es doch so vordergründig lapidar war? Ich bin vor 30 Jahren nach München gezogen und hätte nicht gedacht, dass ich Düsseldorf einmal so vermissen würde. Ich habe mit einem Freund die Verabredung, dass ich – sobald es möglich ist – nach Büderich komme, dass wir am Rhein spazieren gehen und Steine flitschen lassen. Mir hat eine sehr nette Leserin einen Rheinkiesel geschickt. Als ich den hier auspackte, hatte ich Tränen in den Augen. Es ist weniger Nostalgie als Sehnsucht: Nach dem Rhein, den Wiesen, der Weite, dem Himmel, nach dem Uerigen, der Sammlung Stoschek, der Kunstsammlung. Düsseldorf ist eine so tolle Stadt. Ich möchte aber die Zeit von damals nicht zurückholen, es ist auch eine harte und mitleidlose Zeit gewesen.

Sie haben im Buch auch Themen wie den Contergan-Skandal oder die Ewiggestrigen, die sich an die Nazi-­Ideologie klammern, eingewoben.

Gorkow: Ja, ich wollte, dass alles vorkommt. Aber ich wollte nicht kommentieren oder ironisieren. Daher habe ich die Ereignisse so beschrieben, wie ich sie damals wahrgenommen habe. Erzählt ist das Buch ja aus Sicht eines Kindes. Deshalb wohnen The Sweet auch im Garten unter dem Rasen und Heino im Keller. Ich finde die Reaktionen auf das Buch sehr interessant, weil die einen sagen, sie hätten viel gelacht, andere geben zu, geweint zu haben. Ich denke dann: Ja, wie im richtigen
Leben.

Sie beenden Ihr Buch mit Erinnerungen an Interviews, die Sie als Journalist mit Pink Floyd, vor allem aber mit Roger Waters, geführt haben, der mit seinen Aussagen gerne provoziert. Wie ist es, wenn man so lange Fan einer solchen Band ist?

Gorkow: Ich habe überhaupt kein Problem damit. Wieso sollten Menschen, die große Kunstwerke vollbringen, perfekt oder auch nur besonders angenehm sein? Fanatisch war ich bei Pink Floyd aber wohl wegen der Musik, nicht wegen der Musiker. Ich habe über die Jahre so viele Menschen interviewt, und mir ist dabei klar geworden: Da spielt sich etwas ganz Besonderes ab, wenn bestimmte Menschen zusammenkommen. Es ist immer wieder so, dass es drei, vier Platten sind, die das kreative Schaffen repräsentieren. Alles davor war eine Lockerungsübung, und alles danach ist Verwaltung des Erbes. Niemals würde ich mir deshalb anmaßen, von Roger Waters oder David Gilmour irgendeine – und sei es charakterliche – Perfektion zu erwarten. Wir alle sollten unsere moralischen Erwartungshaltungen in Künstlerinnen und Künstler mal hinterfragen: Was ist das, was wir da auf diese Menschen projizieren?

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