Kunstsammlung NRW Richter-Bild als Geschenk für K20

Victoria von Flemming, eine der besten Kennerinnen des Malers, trennt sich von einem grandiosen Meisterwerk, das an die Gesellschaft der Freunde geht. Im Gespräch schildert die Filmregisseurin, wie es dazu kommt.

 Viktoria von Flemming erklärt beim Festakt in der Kunstsammlung, warum sie das Bild nach Düsseldorf gibt.

Viktoria von Flemming erklärt beim Festakt in der Kunstsammlung, warum sie das Bild nach Düsseldorf gibt.

Foto: Andreas Endermann

Ein Kreis von Freunden der Kunstsammlung NRW unter Robert Rademacher feierte soeben ein einmaliges Ereignis in der Geschichte des Hauses: Viktoria von Flemming aus Potsdam überreichte vier Jahre nach dem Schmela-Bild ein weiteres Werk von Gerhard Richter, ein abstraktes Großformat namens „Mauer“ von 1994. Der Maler hatte es mit langen Kunststoffrakeln bearbeitet, Farben aufgetragen und weggewischt. Es gilt als Spitzenwerk. Sie schenkte es  den Freunden und damit dem Museum. Ihre Bitte:  „Nehmen Sie es als solches wahr und nicht seinen absurden Preis. Wenn ich es verschenke und damit kein Riesengeld mache, dann ist das mein persönlicher Protest oder mein Statement gegen den Irrwitz des Kunstmarktes.“

Die Filmemacherin lernte Richter auf der Biennale 1972 kennen

Richter stehe auf ihrer Seite, erklärte sie im Beisein von Kultusministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und Museumsdirektorin Susanne Gaensheimer: Er halte die Entwicklung für gefährlich und absurd. Kein Museum könne sich mehr ein solches Bild leisten. Und auch für bewährte Sammler sei der Zug längst abgefahren. In einer Mail habe ihr der Künstler mitgeteilt: „Es ist ein Glücksfall, dass sich die Kunstsammlung NRW so gut für dieses Bild eignet.“

1972 war die Filmemacherin und Journalistin dem Künstler erstmals bei Dreharbeiten zur Biennale in Venedig begegnet, wo er den deutschen Pavillon bespielte. 48 Porträts entstanden für die Rotunde. Und Flemming war „fasziniert und begeistert“, wie sie sagt. Sie habe sich hinfort darum gerissen, möglichst oft mit ihm zu drehen. Für zwei längere Porträts lernte sie ihn intensiver kennen und konnte ihn fortan auch in seinem Atelier besuchen. Schon damals hätte sie am liebsten spontan ein Bild gekauft, konnte es sich aber nicht leisten. Außerdem habe sie Richter in seiner typischen Art beschimpft, sie sei „total durchgeknallt“, so viel Geld ausgeben zu wollen. Sie solle sich in der Kunstakademie umsehen.

1994 tauchte sie wieder einmal in seinem Atelier in der Kölner Bismarckstraße auf und hatte ihr Aha-Erlebnis: „Drei großformatige abstrakte Bilder in starken Rottönen waren gerade fertig geworden. Eines kaufte Frieder Burda, das zweite wurde vor wenigen Jahren für eine Unsumme versteigert. Und das dritte ist das Geschenk an die Kunstsammlung und ihre Freunde. Ich war, als ich es sah, so überwältigt, dass mir die Tränen kamen. Und der gern so coole Künstler war total irritiert. Vielleicht hat es ihn auch ein bisschen beeindruckt. Er gab jedenfalls sein Okay, ‚Kannste haben‘.“ Dank seiner Hilfe konnte sie es beim damaligen Galeristen Anthony d’Offay in London für einen sehr fairen Preis erwerben. Das Bild hat längst seine Museumsweihen, gastierte in Edinburgh, London, München, Jerusalem und zuletzt im Museum Barberini.

Bei Schmalenbach lernte die Journalistin, Qualität zu erkennen

Warum aber geht das Bild nicht nach Dresden oder Berlin, sondern nach Düsseldorf? Wie schon bei der Übergabe des Schmela-Bildes  nennt sie auch diesmal den Gründungsdirektor der Kunstsammlung, Werner Schmalenbach. Er habe sie Qualität zu erkennen gelehrt. Für dieses Unterscheidungsvermögen sei sie ihm sehr dankbar. Außerdem schließe das Bild eine Lücke in K20, wo man nur Werkphasen habe, die als intellektuelle Experimente gelten. Ihr Geschenk aber sei durch den „gelenkten Zufall“ geformt. Es spreche „Sinne und Herz“ an, ändere sich mit jedem Einfall des Lichts, sei glühend wie ein Feuerwerk oder beruhigend und tröstend.

Auch der Zeitpunkt der Schenkung sei richtig gewählt. Im April seien etliche Menschen in ihrer Umgebung gestorben und hätten sie auf ihre eigene Vergänglichkeit zurückgeworfen. Die Gesellschaft der Freunde feiere gerade ihr 50. Jubiläum. Sie trete ihr 80. Lebensjahr an. Und der Spiritus Rector dieses Museums, Robert Rademacher, feierte einen Tag nach ihr seinen 80. Geburtstag. Bei dieser Konstellation habe sich das Geschenk an die Gesellschaft der Freunde einfach angeboten.

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