Gefühl kennt keine Hautfarbe

„The Harlem Gospel Singers“ kommen wieder in die Tonhalle. Diesmal unter ihnen: der weiße Sänger Marty Thomas.

Düsseldorf. Zu Besuch bei den "Harlem Gospel Singers" in Paris. Das "Olympia", wo die amerikanischen Gospelsänger auftreten, ist legendär. Die Music Hall am Boulevard des Capucines in Paris atmet Tanz- und Musikgeschichte. Mit jeder Pore. Hier schürzte "La Golue" kokett die Röcke und ließ sich von einem Toulouse-Lautrec porträtieren. Anfang der 1920er Jahren konkurrierten dort die Mistinguett und Josephine Baker um die Gunst des Publikums. Später wurde "L´Olympia" zur ersten Konzertadresse für Künstler von Weltrang: Charles Aznavour, Gilbert Bécaud und Jacques Brel, die Gréco, die Piaf und die Gall, Louis Armstrong, Ray Charles und Frank Sinatra, Bill Haley, "The Beatles" und Bob Dylan - sie alle hinterließen hier ihre Spuren.

Für einen Farmerjungen aus dem Mittleren Westen der USA ist das "Olympia" der Olymp. "Wow, ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich wirklich hier bin und hier auftreten darf", sagt Marty Thomas. "Hinter der Bühne hängen die Bilder von all den tollen Künstlern, die schon hier waren: Tina Turner, James Brown, Quincy Jones, Otis Reddin... es ist unglaublich!" Unglaublich fand auch das verwöhnte Pariser Publikum die neue Show "Move On Up!" von Queen Esther Marrow und ihren "Harlem Gospel Singers", die am 5. und 6. Januar auch in der Tonhalle gastieren. Nach der Premiere im "Olympia" johlten, jubelten und tobten die Franzosen.

Mittendrin im Siegestaumel: Marty Thomas. Für den 30-Jährigen ist es eine Premiere. Aus mehr als 700 Bewerbern wurde er für die neue Konzertsaison und die damit verbundene Tour durch Europa ausgesucht. Gemeinsam mit ihm betreten auch seine Mitsängerinnen und -sänger Neuland. Denn: Marty ist nicht schwarz wie sie, sondern weiß. Können Weiße Gospels singen? Wenn sie wie Marty singen, ja. Seine Interpretation von "One Song" ist eine Ode an das Leben. Vorgetragen mit Innigkeit, Transparenz und Klarheit. Eine Kombination, die ihresgleichen sucht.

"Als wir Marty bei den Proben gehört haben, sagte Queen Esther: ,Wer ist das? Den müssen wir haben’", erinnert sich Produzentin Roseanne Kirk. "Und um eines klarzustellen: Wir haben Marty nicht aus ,political correctness’ genommen. Sondern nur, weil er so gut ist. Weil er mit dem, was er tut, etwas ausdrückt. Weil er damit Emotionen rüber bringt - Gefühl kennt keine Hautfarbe!"

Das bestätigt auch Raphael "Rapha" Smith (26), seit dieser Saison der Leiter des Chors: "Wir beschreiten mit dieser Show neue Wege. Indem wir mit dem klassischen Gospel beginnen und dann zu dem überleiten, worin die afroamerikanischen Wurzeln der Popmusik liegen." Dazu gehören Stücke von Sam Cooke, von Otis Redding oder von Michael Jackson. Und wenn am Ende des neuen Programms "Move On Up A Little Higher" erklingt, die Hymne all derer, die beim amerikanischen "Civil Rights Movement" für die Gleichheit der Menschen aller Hautfarben auf die Straße gingen, dann springt der blonde Marty vielleicht ein kleines bisschen höher als die anderen. Und Otis Redding lächelt aus seinem Bilderrahmen hinter der Bühne vielleicht dazu.

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