"Ganze Kerle": Zickenkrieg im Männerclub

Premiere: Für das rasante Stück „Ganze Kerle“ gab es in der Komödie stehende Ovationen.

Düsseldorf. Etwas Schlimmeres kann sich so ein "ganzer Kerl" wie Obermacho Klaus wohl kaum vorstellen. Der gestandene Paketzusteller, breitschultrig und Blondinenwitz-gestählt, soll ausgerechnet für Köhler, seinen verhassten Chef, als Frau verkleidet über die Bühne tanzen. Dabei erfreut Köhler sich im ganzen Betrieb einer geradezu sagenhaften Unbeliebtheit. Erst recht, als er auch noch Klaus’ altgedienten Kollegen Georg kündigt. Aber Lilly, die Tochter vom Chef, braucht nun mal die Hilfe von Klaus und seinen Kollegen. Für eine teure Delfin-Therapie müssen die beherzten Männer das Geld auftreiben.

"Wir veranstalten eine Travestieshow", lautet Enricos zündende Idee. "Super, nur wo kriegen wir die Künstler dafür her?" fragen die Kollegen. Denn als Revuedarsteller aufzutreten, passt so gar nicht in das kleinbürgerliche Selbstbild der starken Männer.

So ganz nebenbei erfährt das Publikum mit jedem Schritt, mit dem die vier Kerle in ihre neuen Rollen wachsen, mehr über ihr Leben, ihre Ängste und nicht zuletzt auch ihre Vorurteile. Und so wie das Stück mit der Entwicklung der Charaktere langsam an Fahrt aufnimmt und die anfängliche Betulichkeit ablegt, strömt das ganze Spiel auf das turbulente Ende hinzu und entwickelt dabei eine ungeahnte Rasanz.

Der Geschlechterrollentausch auf der Bühne ist zwar alles andere als neu, aber die sprichwörtlichen ersten Gehversuche der Herren auf Stöckelschuhen sind dennoch phänomenal. Liebevoll wird gezeigt, wie jede Figur erst über den eigenen Schatten springen muss, um den Fummel überziehen zu können. In der Art, wie sie dabei die jeweils eigene Vorstellung von "Frau sein" interpretieren, geben die Charaktere weit mehr über sich preis als nur die Figurprobleme, die sie als "echte" Männer noch nicht kannten. Ähnlich wie Klaus, der bei der ersten Probe noch aussieht wie ein Neandertaler, der seinen Knüppel vergessen hat, geht es auch den Kollegen. "Was Ihnen fehlt, sind Anmut und Glamour, aber vor allem: professionelle Hilfe", befindet da die wie gerufen kommende Tanzlehrerin Helene, die nicht von ungefähr an den ehemaligen Arbeitskollegen Georg erinnert.

Und so findet nach und nach jeder in seine Rolle. Besonders überzeugend dabei: Enrico als Liza Minelli in "Cabaret" und ein handfester Zickenkrieg auf der Bühne zwischen Mireille Matthieu und Nana Mouskouri beim fulminanten Finale. Dafür gibt es am Ende stehende Ovationen, eine Zugabe und die Feststellung: Manchmal ist es eben schwer, eine Frau zu sein.

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