Ganz lange Nacht für Bücherwürmer

Der Stern-Verlag verwöhnte seine Gäste bis zum Morgen.

Ganz lange Nacht für Bücherwürmer
Foto: Judith Michaelis

Vor dem „Schlösser-Treff“ auf der Friedrichstraße lungern am späten Freitagabend noch zwei Raucher. Sonst ist hier nicht viel los um diese Zeit auf dieser langen Straße. Doch gegenüber: Der Stern-Verlag ist hell erleuchtet. Da ist noch jemand!

Eine Atmosphäre wie im Film, aber es geht um Bücher: Fast drei Dutzend Leseratten und Bücherwürmer verteilen sich auf 5000 Quadratmetern. Das Buchhaus hat zu einer exklusiven Veranstaltung eingeladen, der Wunsch kam aus dem Kundenkreis: Stöbernacht im Stern-Verlag. Man zahlt 40 Euro und darf eine Nacht im Bücherladen verbringen, bis morgens um 7 Uhr, währenddessen nach Herzenslust zwischen den Regalen schmökern, schlemmen oder auch einfach schlafen, träumen.

Im Café steht ein kalt-warmes Buffet bereit, auf einem Tisch Getränke, in einem Zwischengeschoss ist ein Lager mit Feldbetten aufgebaut, die bereits zu früher Stunde mit Persönlichem belegt sind wie Strandliegen auf Mallorca. Jeder bekommt eine Decke - zum Behalten.

Kerstin Schmitz-Wolf aus Haan ist begeistert: „Als ich davon erfuhr, dachte ich, das machen die nur für mich. Mal eine Nacht eingesperrt im Stern-Verlag, das wünsche ich mir schon immer. Das war schon ein Running Gag bei uns.“ Tochter Melina streicht liebevoll mit der Hand über ein Buch: „Das ist doch was Anderes als ein E-Book. Schon das Cover...“. Beide finden: „Ein Buch muss gelesen aussehen.“ Freilich gibt’s aber auch E-Books im Stern-Verlag.

Doch es gibt noch mehr zu entdecken: aktuell die umfangreiche Kalenderabteilung und das ganze Jahr über das das umfangreiche Antiquariat, wo es nicht nur Bücher gibt. Die Mitarbeiter bringen aus Nachlässen, die sie aufkaufen, manchmal auch andere Stücke mit, zum Beispiel ein Harmonium mit vergilbten Tasten (2750 Euro) vor dem ein uralter Klavierhocker mit rissigem Ledersitz steht (120 Euro). Buchhändler Toni Plath: „Manchmal kommen junge Kerle und spielen drauf.“

Ihnen guckt ein ausgestopfter Dachs zu, der hier auf der Friedrichstraße auch gut als Maskottchen für die Baustellen im Stadtteil dienen könnte wie seine lustigen kleinen Vorfahren beim Düsseldorfer U-Bahn-Bau. Plath: „Wir hatten auch noch einen Fischreiher. Der steht jetzt bei mir zu Hause zwischen alten Büchern im Regal.“ Ein Wildschweinkopf ging an einen Jäger.

Die Nacht in der Buchhandlung wird „als echtes Geschenk“ empfunden. Was die exklusive kleine Gästeschar besonders begeistert: „Diese Ruhe und mal so viel Zeit zu haben…“ Es gab schon aufregendere Nächte im Sternverlag, zum Beispiel eine inszenierte Harry-Potter-Buch-Premiere. Da war das Haus voll, als um Mitternacht in dramatischer Aktion rote Decken von den Bücherwagen gezogen wurden wie bei einer Denkmal-Enthüllung.

Diesmal gibt’s um Mitternacht eine Lesung mit Kostproben aus den Lieblings-Büchern der Buchhändler. Das Spektrum reicht von „Gemüse aus dem Bauerngarten“ über einen Ratgeber „Warum die Sache schief geht - Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen“ bis, schon mit Blick aufs Feldbett: „Du träumst wohl?“

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