FFT: Die Besserwisser aus dem Über-Ich

Mit viel Humor wühlt das Stück „Hanneli Himmeli“ in den Selbstzweifeln der Endzwanziger.

Düsseldorf. Sie ist jung, sie ist schön. Sie steht am Ende ihres Studiums, hat bereits einen Job, einen Freund auch. Und natürlich sind die Softskills von Hanneli Himmeli erste Sahne. Durchstarten wäre also angesagt.

Doch die Endzwanzigerin liegt wie eine Tote unter einem Berg aus bunten Reisetaschen auf der Bühne der Kammerspiele. Mühsam schält sie sich aus ihrem Grab und stimmt eine Suada des Selbstzweifels an: Karriere oder erfülltes Privatleben, Selbst- und Fremdeinschätzung - Fragen über Fragen, die Johanna Himmeli angesichts der Wahlmöglichkeiten des Lebens verzweifeln lassen. Dass ihr schließlich nur noch die statistische Familiennorm "Vater-Mutter-zwei-Kinder-Eigenheim-Fernseher" einfällt, hat so beißenden wie mitfühlenden Witz.

Dem Abend "Hanneli Himmeli" liegt Gerhart Hauptmanns mystisch-naturalistisches Stück "Hanneles Himmelfahrt" um die Fieberträume eines 14-jährigen Mädchens kurz vor dessen Tod zugrunde. Doch Regisseurin Malin de Haan und Autor Axel von Ernst nutzen den Plot allenfalls als Sprungbrett in die sehr pragmatischen Wunschwelten heutiger "Twentysomethings".

Doch trotz der sehr guten Schauspielerin Magdalena Helmig, trotz Witz und Komik, überzeugend wird der Abend erst durch die Entscheidung, Johannas innere Stimmen durch einen Chor verkörpern zu lassen. Sechs bunte Über-Ich-Besserwisser geben Erinnerungen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Weisheiten der Eltern zum Besten, musikalisch unterstützt von Kontrabass und singender Säge.

Mit Verve stürzt das Sextett zwischen den auf der Bühne sitzenden Zuschauern hindurch und singt auf Johanna ein. Ein kurzweiliger und formal kluger Theaterabend mit viel Sinn für Humor, der vom Publikum mit lebhaftem Beifall bedacht wurde.

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