„Fabian“: Im Wartesaal Europas naht der Untergang
Berlin 1931: Wie gegenwärtig das Lebensgefühl von damals ist, zeigt der großartig gespielte und berührend inszenierte „Fabian“ im Central.
Die Orgie kann beginnen: In diesem Varieté der zwischenmenschlichen Absonderlichkeiten ist Fabian ein leichtfüßiger Beobachter. Er swingt sich in die Arme mannstoller Weiber und gleitet wieder heraus. Der Fachmann für Reklamesprüche spottet, bis der Zeitungschef ihn rausschmeißt. Er studiert die Frauen in den schrägen Etablissements, bis er sein Herz verliert. Und er wälzt mit seinem Freund Gedanken über den Gang der Welt, bis der zum Strick greift.
Heil bleibt in dieser Gesellschaft keiner. Wie gegenwärtig Erich Kästners Berlin 1931 ist, führt Regisseurin Bernadette Sonnenbichler mit ihrer Inszenierung seines Romans „Fabian“ sinnlich, berührend und ganz ohne angestrengte Aktualisierung vor. Die Zuschauer blicken Voyeuren gleich in eine mit Glühbirnen umkränzte Guckkastenbühne. Immer wieder schieben sich Wände zur Seite, offenbaren Szenen, in denen Menschen sich abzappeln: nach Sex, nach Beachtung, nach Überleben.
Fabian will da nicht mitmachen. „Wo ist das System, in dem ich funktionieren könnte?“, fragt er Labude. Sein Freund, sein Alter Ego, engagiert sich politisch, will europaweit Gruppen gründen und dem Kapitalismus Verstand und Solidarität entgegenhalten. Beschimpft als Bourgeois stehen die beiden auf der Straße zwischen Rechten und Linken, die sich gegenseitig in den Hintern schießen. Reden hilft nicht.