"Es brennt" im FFT-Juta: Die Zwangssysteme der Imagination

Das FFT-Juta zeigt Jo Fabians „Es brennt“, ein Stück über Themen wie Macht, Unterwerfung und Anpassung.

Düsseldorf. Drei Männer sitzen brav wie die Schüler nebeneinander auf einem Bett. Gebannt starren sie auf eine Mikrowelle, die hoch über ihnen hängt: Zeit für den aufgewärmten Medienbrei. Doch da läuft nichts. Rhythmisch tippen sie auf ihre Armbanduhren, murmeln Worte wie „Zeit“, „Sendung“ und blicken mit kindlicher Empörung zu einer Frau, die auf Italienisch die verlaufenden Sekunden zählt und schließlich ruft: „Sieben Uhr. Fernsehzeit zu Ende“.

Ein Bild absurder Verzweiflung und sadistischer Gängelung, das zugleich zutiefst poetisch ist. Jo Fabians Abend „Es brennt“, eine Koproduktion des Forum Freies Theater und des Theater an der Ruhr, nimmt Motive aus Thomas Manns Erzählung „Mario der Zauberer“ auf. Doch die Assoziation lässt zunächst eher an Magritte und Dürrenmatts „Physiker“ denken.

Drei Männer mit Anzug, Sonnenbrille und Melone (Thomas Schweiberer, Boris Schwiebert, Matthias Horn) haben ein Zimmer gebucht. Sie tragen die Namen Schrödinger, Beethoven und Mengele und wuseln um ihre Betten herum, aus denen jeweils ein Ruder ragt. Sind wir auf einem Schiff oder in der Anstalt? Ein Stewart, „Schwester Marion“, singt Lieder und wischt den Dreck auf, ein gefesselter Matrosenjunge mit Mundharmonika kauert auf einem Stuhl.

Plötzlich taucht eine düstere „Frau ohne Namen“ (Gabrielle Weber) mit schwarzem Plisseekragen und quaderförmigem Klumpfuß auf. Sie hält die Besatzung in Schach: eine Anstaltsdame sans merci, die von „Geschlossenem System“ und „Freisetzung der Willensfreiheit“ raunt, im Rollstuhl herumfährt — wenn sie nicht auf ihrem Kothurn tanzt.

„Es brennt“ ist kein diskursives Literaturtheater, kein Tanz- oder Musiktheater. Auch der Begriff vom „Bildertheater“ trifft es nicht. Jo Fabian balanciert auf der Rasierklinge der poetischen Assoziativen, immer bedroht vom Kitsch oder von Verstiegenheit.

Überzeugend, wenn er aus einfachen Alltagsgesten ein zwangsneurotisches Bewegungssystem der Männer konstruiert: Sie zählen Geld, legen sich hin, messen ihr Bett ab, horchen an der Wand oder tanzen um ein Ruderblatt. Eher konventionell dagegen der Mutterkomplex des Trios.

Doch Fabians Szenenfantasie kennt keine Grenzen: Da gibt es einen schrägen Gebirgskettentanz, Pistolen werden ausgegeben — zu Musik von Beck, Ween und Rammstein gelingt dem Regisseur eine surreale Rhapsodie über Themen wie Unterwerfung, Anpassung, Macht und Terror, immer entlang der Frage, wie willig wir uns den Zwangssystemen ergeben.

Und da kommt auch Thomas Mann wieder ins Spiel. Dessen Story um die Manipulationen des Zauberers Cipolla spiegelt sich in der Theatersituation selbst. Fabian lässt mehrfach eine Offstimme das Geschehen auf der Bühne des Juta unterbrechen, doch die Anweisungen dieses fiktiven Regisseurs klären nichts, sondern driften immer weiter ins Absurde ab. Sie manipulieren nicht nur die Schauspieler, sondern locken auch den Zuschauer auf falsche Deutungsfährten.

Auch das Theater ist ein Zwangssystem der Imagination, dem wir uns allerdings willig unterwerfen — umso mehr, wenn es so unterhaltsam und anregend daherkommt wie an diesem Abend.

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