Düsseldorf Erste Privatsammlung mit Gleisanschluss

Mit „Philara“ erhält Düsseldorf nach der Stoschek-Collection das zweite private Museum mit hochkarätiger Gegenwartskunst.

Düsseldorf: Erste Privatsammlung mit Gleisanschluss
Foto: Sammlung Bronner

Düsseldorf. Gil Bronner (54) ist kein bloßer Kunstfan, sondern ein Kunst-Besessener. Den Virus impften ihm seine Eltern ein, die klassische Kunst sammeln und eine Kunststiftung begründet haben. Aber Gil hatte auch sein eigenes Aha-Erlebnis. Nach der Wende ging er als Projektentwickler für Immobilien nach Leipzig und genoss die Neue Leipziger Schule. Mit der Malerei fing er als selbstständiger Sammler an. Inzwischen hat er rund 1200 Arbeiten. Sonntag eröffnet er sein neues Schaulager mit einem voll funktionierenden Ausstellungsbetrieb. Zehn Jahre nach der Julia Stoschek Collection entsteht damit ein zweites kapitales Privatmuseum der Gegenwartskunst in der Landeshauptstadt. Mit schelmischer Konzeptkunst, Fotos vom Unterschlupf eines Mafia-Bosses in einer Käserei bis zu Staubarbeiten und einer zerteilten Kaminuhr warten viele Überraschungen auf den Besucher.

Schlaksig und locker, in Shorts und Turnschuhen, so tauchte der Besitzer der teuren Kunstschätze am Donnerstag auf. Er freue sich über die Eröffnung, aber sei froh, wenn sie vorüber sei. Zur Strategie seiner Ankäufe erklärte er lediglich: „Ich habe nie ein Konzept verfolgt, sondern auf die einzelne, besonders starke Arbeit gesetzt.“ Zum Titel seines Hauses meinte er nur: „Den Begriff eines Museums mag ich nicht so recht. Die Sammlung soll einfach „Philara“ heißen, nach meinen Kindern Philip und Lara.“ 2009 hatte er das Gelände mitten im Düsseldorfer Szene-Viertel gekauft und seit Ende 2014 umgebaut.

Bronner macht nicht gern viele Worte. Er handelt lieber, indem er sammelt und das dafür nötige Geld mit Sonderimmobilien verdient. Dabei fungiert er als Käufer, Bauherr und Vermieter von unzähligen Künstlerateliers und Proberäumen in Köln und Düsseldorf.

Allein das jetzige Areal nimmt ein ganzes Viertel ein, wobei lediglich 25 Prozent auf die Schauräume, Künstlerappartements, Büros und Privaträume entfallen. 2100 Quadratmeter stehen der Kunst zur Verfügung. Demnächst wird auch ein Skulpturengarten auf dem 550 Quadratmeter großen Dach eröffnet. Im Gegensatz zu jedem Museum und jeder Privatsammlung hat der jetzige Standort einen eigenen Gleisanschluss. Er stammt noch aus der Zeit der aufgelassenen Glasfabrik Lennarz.

Trotz der großartigen Eröffnung lässt sich Gil Bronner noch immer nicht in die Karten schauen. Ganze 60 Bilder, Skulpturen, Videos und Installationen sind ausgepackt. Ein Bruchteil seiner Schätze. Zur Eröffnung sollen es 70 sein, installiert in Sälen und Kabinetten.

Die spektakulärste Arbeit stammt von Tomás Saraceno. Seine 80 aufgeblasenen Luftballons sind so raffiniert mit farbigen Partikeln beklebt, dass sie an Seifenblasen erinnern. „Wolkenstadt“ („City Cloud“) nennt er die großen Schaummoleküle, die an schwarzen Bändern gezogen und durch den Raum geführt werden. Ein utopisches Gebilde von faszinierender Schönheit.

Noch nicht ausgepackt ist Björn Dahlems „Sonne“, gleichsam der außerirdische Geist des Hauses, mit Lampen von Obi und alten Leuchten aus Litauen. In den Kojen selbst wird es zunächst eher still, werden die Konzeptkünstler Alicja Kwade und Sebastian Riemer neben dem Star Thomas Ruff gefeiert.

Als solle der Betrachter das Staunen lernen, wird uns „Rebekkah“ in drei Wiederholungen des Humoristen Simon Fujiwara vorgeführt. Der englische Künstler zitiert die tönernen Soldaten der Chinesen und nahm sich ein Londoner Girl zum Vorbild. Nun marschiert das abgegossene Model in der Gestik der Terrakotta-Figuren durch den Raum.

Bronner hat seine Vorbilder in den Großsammlern Harald Falckenberg und Christian Boros. Immer wieder finden sich Künstler, die auch sie sammeln, allen voran Kris Martin mit seiner Schrift aus menschlicher Asche. Doch dann kommt auch ganz junges „Gemüse“ zum Zuge. Im letzten Raum des Erdgeschosses ist es Ex-Student Alexander Wissel vom „Single Club“.

Exzeptionell ist die Sonderschau. Sie gilt Friedrich Kunath, der früher in Köln wohnte und heute in Pasadena bei Los Angeles lebt. Ein Grenzgänger ist er, auch in der Kunst. So malt er ein Bild im Stil von Caspar David Friedrich und vom Landschaftsmaler Frederic Edwin Church aus der Hudson River School. Das Bild rotiert, die Zitate relativieren sich. Ein anderes Werk wirkt wie ein französisches Fenstermotiv mit einem perfekten Hollywood-Himmel. Ein grandioser Maler ist er, auf der Suche nach dem jeweils Anderen. (Bis 11.9.).

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