Ehrenhof-Preisträger Erste Einzelausstellung von Aurel Dahlgrün im Kunstpalast

Düsseldorf · Unter dem Titel "Irgendwo im Tiefenrausch" sind bis September Arbeiten des Ehrenhof-Preisträgers zu sehen.

 Installationsansicht aus der Ausstellung „Aurel Dahlgrün - Irgendwo im Tiefenrausch“, die im Kunstpalst zu sehen ist. Links ein Mühlenrad und rechts der vibrierende Spiegel.

Installationsansicht aus der Ausstellung „Aurel Dahlgrün - Irgendwo im Tiefenrausch“, die im Kunstpalst zu sehen ist. Links ein Mühlenrad und rechts der vibrierende Spiegel.

Foto: Sabine Maria Schmidt

Schon von draußen im Gang lockt das Geräusch von rauschendem Wasser in den Ausstellungssaal; das klingt angenehm angesichts der Rekordhitze dieser Tage. Zwei kleine Wasserräder mühlen und schöpfen unentwegt Wasser in einer gläsernen Vitrine. Zwei Tauchflaschen vor zwei weiteren leeren Aquarien hingegen stehen bewegungslos. Auf ein Minimum reduziert entlassen sie punktuell nur einzelne Sauerstoffblasen. Gerahmt werden die Skulpturen von zwei gegenüberliegenden Spiegelflächen, die in Vibration und Bewegung gebracht sind, als befände man sich auf einem Schiff bei Wellengang. Sinnlich und zugleich metaphorisch lenkt die künstlerische Versuchsanordnung das Augenmerk auf das für den Menschen vielleicht lebenswichtigste Element: das Wasser.

Aurel Dahlgrün ist Künstler und Akademieabsolvent, der ein besonderes Faible fürs Tauchen entwickelt hat. Unter anderem trainiert er Apnoetauchen, wo im Gegensatz zum Gerätetauchen für den Tiefgang nur ein Atemzug genügen muss. Den Zeitraum des Luftanhaltens bezeichnet man Apnoe. Dahlgrün schafft ca. 3.5 Minuten, um in die Tiefe zu ziehen, das ist recht viel. Mit Gerät taucht er besonders gern in unterirdischen Höhlen. Dort entstehen ungewöhnliche Fotografien, die entweder aus der Taucherperspektive, oder von der Wasserfläche aus gesehen, gemacht werden. Diese werden wiederum als handwerklich aufwendige Fotoradierungen mit Tiefdruckverfahren übertragen.

Dahlgrün braucht keine spektakulären Orte, um seine Motive zu finden. Das kann sowohl der Düsseldorfer Kaiserteich am Ständehaus sein als auch eine beeindruckende Wand aus der Aggerttalhöhle; eine Schauhöhle bei Altenberg im Walbachtal (NRW). Dabei nähert sich Dahlgrün der Welt aus der Wassertiefe aus. Er sucht Grenzen, an denen es nicht mehr weitergeht. Das sind nicht nur Grenzen zur Dunkelheit und damit verbundenen Unsichtbarkeit. Es sind vor allem Prozesse wie der beim Tauchen existenzielle Druckausgleich, der sowohl die akustische, als auch die visuelle Wahrnehmung gravierend verändert. Das Tauchen wird bei Dahlgrün zu einem künstlerischen Instrument.

Alles dreht sich um das Wasser in der ersten institutionellen Einzelausstellung, die der junge Künstler nun dank des 2016 ins Leben gerufenen Ehrenhof-Preises am Kunstpalast ausrichten kann. Hinter dem Preisgeld in der Höhe von 20 000 Euro steht der engagierte Stifter Georg Landsberg; ein Unternehmer und privater Mäzen. Die Akademieabsolventen erhalten dadurch genau das, was sie benötigen, wenn sie die Düsseldorfer Kunstakademie verlassen: ein Förderbudget, dass ihnen die Entwicklung neuer Arbeiten ermöglicht, ebenso eine kleine Museumsausstellung im Folgejahr, die von einer kleinen und feinen Publikation begleitet wird. Ausgewählt wurde der Preisträger von einer mehrköpfigen Fachjury auf dem Akademierundgang 2018. Dort war der Student von Christopher Williams mit seiner meditativen Wasserinstallation „19 weeks of water“ aufgefallen. Der Clou: Das Wasser im Flachbassin stammte aus dem kondensierten Wasser aus der Lüftungsanlage der Akademie; gesammelt über einen Zeitraum von 19 Wochen.

 Aurel Dahlgrün stellt im Kunstpalast aus.

Aurel Dahlgrün stellt im Kunstpalast aus.

Foto: Moritz Krauth

Zwei solcher Sammelbassins, die von den Mühlen in Bewegung gebracht werden, stehen nun auch im Kunstpalast. Verflüssigt sind da letztlich die Atemluft und die Ausdünstungen der Besucher, die innerhalb von zwei Wochen in der Klimaanlage aufgefangen werden. Die vibrierenden Spiegel werden über eine Pumpe im geschlossenen Kreislauf von der Luftfeuchtigkeit angetrieben. Wiederverwertbarkeit und Recycling sind auch Prinzipien für seine Objekte, so nutzt er gebrauchte Gläser für seine „Aquarien“, baut die Settings mit einfachen Mitteln selber. Dahlgrün, geboren 1989 in Berlin, ist zusammen mit Eltern und vier Brüdern in einem kleinen Ort in Schweden aufgewachsen. Später zog die Familie zurück nach Berlin. Als Austauschschüler zog es Aurel Dahlgrün nach Brasilien, wo er dann als Lehrer für Kunst und Englisch unterrichtete. 2011 kam Aurel Dahlgrün an die Kunstakademie nach Düsseldorf. Dort studierte er bis 2018 Fotografie in der Williams-Klasse.

Dass das so formwandlerische und schwer zu fassende Element Wasser zu einer auch wortwörtlich zu nehmenden treibenden Kraft in seinem Werk werden sollte, war zunächst nicht absehbar. Künstlerische Vorbilder gibt es dafür viele, nicht zuletzt an der Akademie selbst. Man denke an die Kondensationskästen von Hans Haacke oder die Wasseraktionen von Klaus Rinke, der 1969 Rheinwasser in Fässer schöpfte. Allen Künstlern ist gemein, auf die Ressourcen und Wirkungsmechanismen der Natur aufmerksam zu machen. Auch Aurel Dahlgrüns Werk handelt darüber, wie der Mensch auf die Natur schaut und was das zukünftig bedeuten könnte. Dass er dass sowohl als Taucher als auch als Künstler tut, macht den Eigensinn und Erfindungsreichtum seiner Arbeit aus.

Ehrenhof-Preis 2018: Aurel Dahlgrün - Irgendwo im Tiefenrausch, 27. Juni 2019 - 15. September 2019

Kunstpalast, Düsseldorf

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