Düsseldorf Ein zweistündiges Bürger-Spektakel

Eine besondere Art von Kulturwerkstatt bringt Amateure für diverse Performances auf die Bühne.

Düsseldorf: Ein zweistündiges Bürger-Spektakel
Foto: FFT

Düsseldorf. Bürger sprengen Klötze. So lautet der Auftrag an die Düsseldorfer, die im FFT an dem gleichnamigen Planspiel teilnahmen. Und sie entschieden: „Wir sprengen den Kö-Bogen.“ Doch bitte, keine Panik! Im Juta, Kasernenstraße 6, versammeln sich zur Eröffnung der Spielzeit weder Revoluzzer noch aggressive Wut-Bürger, sondern Teilnehmer eines ungewöhnlichen Theater-Experiments, die ihre Wünsche überspitzt und mit ironischem Blinzeln über die Rampe bringen. Wenn sie auch im „Kollaps“-Finale per Knopfdruck eine Sprengung mit mächtigem Getöse auslösen, so wollen sie doch nur ihre Meinung zu einem umstrittenen Architektur-Vorhaben der Stadt äußern.

Monatelang arbeiteten und probten etwa 20 engagierte und politisch interessierte Bürger und Theaterlaien aus verschiedenen Stadtteilen aus drei Generationen mit dem Theater-Trio Bernd Plöger, Erika Winkler und Gila Maria Becker. Das Ergebnis dieser neuartigen Bürger-Werkstatt, die auch dem designierten Schauspielintendanten Wilfried Schulz gefallen dürfte: eine Mischung aus verschiedenen Performances, Diskussionen, Ausstellung von Archiven und Ideen für die Zukunft unserer Stadt. Titel: „Von uns aus: Weiter“. Zu erleben noch bis Sonntag, 30. August im Juta.

Wer sich, auf einem Theatersessel sitzend, von geschliffener Bühnenkunst berieseln lassen will, ist hier fehl am Platz. Man muss sich schon von einem zum anderen Spielort bewegen und offen sein für interaktives Wandel-Theater. So beginnt das pausenlose Zwei-Stunden-Bürger-Spektakel bereits im Treppenhaus. Keine Angst: Mitmachen ist nicht erforderlich! 20 Laiendarsteller lesen in Tageszeitungen, falten die Blätter auf und zu. Dann beginnen sie, laut daraus vorzulesen. Ein Stimmen-Gewirr breitet sich aus. Deutsch, Englisch, Polnisch…

Einige telefonieren, plappern aufgeregt in ihr Handy. Wenn man den Darstellern näher kommt, versteht man man, was sie bewegt, was sie aufregt. Sozialer Wohnungsbau und der Zustand von Kultur-Institutionen. Einige von ihnen tanzen dabei, rollen auf dem Boden, immer in der Hand: eine Zeitung.

Im Theatersaal dann geht es um ein Computerspiel: Man wählt einen berühmten Düsseldorfer aus und schickt ihn auf die virtuellen Reise durch Baustellen, sanierungsbedürftige Stadtviertel und Sehenswürdigkeiten. Vom Kö-Bogen hin zum Schloss Jägerhof oder Benrath. Ein Besucher wählt Heino, der dann per Mausklick durch die Filmkulisse schwebt. Der andere schickt Joseph Beuys auf den Parcours.

In „Platzentwicklung“ geht es um Vorschläge zur Gestaltung von öffentlichen Plätzen. In einer weiteren Performance zitiert ein junger Mime Georg Büchners Aufforderung vom Vormärz 1834: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“. Find ich gut, meint eine Teilnehmerin. Und schlägt vor, das Drei-Scheiben-Hochhaus als Flüchtlings-Quartier zu nutzen.

Wer sich zwischendurch entspannen will, kann das im Kinosaal mit Filmen von Tangotänzern tun. Oder er besucht eine Ausstellung von beschrifteten Tapetenrollen: Darauf verewigten Bürger ihre spontanen Verbesserungs-Vorschläge von Fahrradwegen oder Wünsche nach einer Maut für Autofahrer in der Stadt.

Zahlreich sind die Besucher beim Kleinformat „Gespräch“: Bei der Premiere diskutierten Flüchtlings-Beauftragte Miriam Koch und Fifty-Fifty-Gründer Hubert Ostendorf über heiße Eisen - auf Wunschzettel geschrieben, die, wie bei einer Tombola, aus einer offenen Glaskugel gezogen wurden. Da ging es um fehlende Streitkultur in Düsseldorf. Sie wurde lange Zeit, so Ostendorf, vom früheren OB Joachim Erwin unterdrückt. Wer Zuschüsse bekam, habe damals öffentlich keine Kritik an der Stadtpolitik üben dürfen. Das ändere sich langsam, so Miriam Koch hoffnungsvoll. Und muss es auch, wenn Düsseldorf nicht provinziell wirken wolle.

Das Flüchtlings-Problem, darin ist man sich einig, nehmen Düsseldorfer ernst und beweisen eine offene Willkommenskultur. Wichtig ist für Ostendorf, dass Obdachlose und Flüchtlinge auch auf öffentlichen Plätzen sichtbar sein müssen. Der lang anhaltende Applaus für die beiden — von Seiten der Teilnehmer und der Besucher — bewies, dass Theater auch Ort für aktuell-politische Themen sein kann, sein muss.

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