Kunst Der Künstler, der sich der Zeit verschrieb

Düsseldorf · Nach seinem frühen Tod wurde Gerhard Harvan vergessen. Im Uhrenturm kann er nun wiederentdeckt werden.

 Gerhard Harvan inszenierte 1969 vor der Düsseldorfer Kunsthalle seine Menstruations-Performance „Männer liebt den Zyklus! Damen nehmt ihn nicht so ernst“.

Gerhard Harvan inszenierte 1969 vor der Düsseldorfer Kunsthalle seine Menstruations-Performance „Männer liebt den Zyklus! Damen nehmt ihn nicht so ernst“.

Foto: Bernd Jansen

Zeit war immer sein Thema, vielleicht gerade, weil die seine so kurz, viel zu kurz war. Man meint, sie auf den Bildern hören zu können, seine gezackten Zahnräder der Zeit, die beim Betrachter Gedanken in Gang setzen können. Gerhard Harvan erschuf Zeitzonen auf Papier, erfand für sich einen Traum von Zeitlosigkeit, seine u(h)reigene „Harvan-Zeit“.

Später arbeitete er in und mit Zyklen, auch denen der Frau: „Männer liebt den Zyklus! Damen nehmt ihn nicht so ernst.“ Seine Witwe, die Düsseldorfer Modeschöpferin Renate Harvan, berichtet, dass er die Frauen immer verehrt habe. Nicht unbedingt eine gängige Zeiterscheinung in den wilden 1960er-Jahren. Das Ausstellungsplakat zeigt den Künstler bei einem Happening als Huldigung an die Karyatiden vor der Düsseldorfer Kunsthalle selbst als typische Zeiterscheinung: Lange Haare, Bart, enges Polohemd, Hose mit Schlag.

Am 13. April wäre Gerhard Harvan 78 Jahre alt geworden. Doch in knapp einem Monat ist sein 48. Todestag. Der Zeitgenosse der 68er-Generation wurde nur 30 Jahre alt. Er starb an einem Stromschlag. „Danach war er 50 Jahre vergessen“, erklärt Klaus Lemann von der Hermann-Harry-Schmitz-Societät. Diese präsentiert im historischen Uhrenturm an der Grafenberger Allee rund 30 Werke des Düsseldorfer Künstlers und Schülers von Rolf Sackenheim, Joseph Faßbender und Joseph Beuys. Düsseldorfs kleinstes, dennoch aus seiner Museumslandschaft hervorragendes Kunstinstitut hält Lehmann als besonders gut geeignet für die Harvan-Schau: „Ich kann mir keinen besseren Ort denken für Harvans Thema. Man sieht an seinen Werken sofort, dass er ein Sackenheim-Schüler war – irgendwo zwischen Fluxus und Pop-Art.

Die sich durch den historischen Turm windende Ausstellung zeigt Arbeiten aus Harvards Studienjahren in Düsseldorf, hauptsächlich Radierungen und Collagen. Überall rostige Rädchen, Pendel, frei schwebend, verbunden, manchmal gedämpft von pastellfarbigem Schaumstoff. In einem Video tippen in rote Farbe getunkte Finger (Blut-Bild?) auf die Tasten einer historischen Schreibmaschine .

Die Presse feierte Harvan früh als Senkrechtstarter der Kunst

Schon zu seiner frühen Zeit feierte die Presse Harvan als Senkrechtstarter. Die  „Düsseldorfer Nachrichten“ schrieben: „Derweil summt und tickt die Harvansche Zeitmaschine im Atelier und sagt dem Künstler an, was er überraschend nicht zu tun brauchte: Warten – warten auf den Erfolg.“ Dies gilt jetzt offenbar auch für den späten Erfolg. Die Stadt Görlitz, in der der gebürtige Wiener aufgewachsen ist, zeigt ebenfalls Interesse an einer Ausstellung.

Wie war die Zeitspanne mit ihm? Renate Harvan erinnert sich: „Er hatte immer Zeit für alles und alle.“ Hat sie etwas von ihm gelernt? „Dass ich mir meine Zeit nehmen muss.“ Davon investierte sie jetzt viele Stunden als Initiatorin der von  Friedrich Huppertz kuratierten Ausstellung. Sie ist noch bis zum 2. September zu sehen, montags 18 bis 20 Uhr. Private Führungen mit Renate Harvan sind möglich. Anmeldung unter [email protected] oder 0211 313263.

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