Performance Düsseldorfer Theatherprojekt macht die Pogromnacht vorstellbar

Düsseldorf · „Pièrre.Vers“ blickt auf das unbeschwerte jüdische Leben in Düsseldorf, das mit der Reichspogromnacht endete.

 Passanten begutachten die Trümmer der Pogromnacht. Düsseldorf am 10. November 1938.

Passanten begutachten die Trümmer der Pogromnacht. Düsseldorf am 10. November 1938.

Foto: Sammlung Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf

Die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war der vorläufige Höhepunkt des antisemitischen Terrors der Nationalsozialisten. Das Künstlerkollektiv „Pièrre.Vers“ will mit der szenischen Installation „Schwarz-helle Nacht“, die am Sonntag in der Mahn- und Gedenkstätte aufgeführt wurde, vor allem das Leben und Leid der Düsseldorfer Opfer näher bringen.

Dabei beginnt das Stück auf einer positiven Note. Bei fröhlicher, jiddischser Musik werden die Besucher in den eng bestuhlten Raum gelassen. Auf der Tafel in der Mitte des Raumes befinden sich Akten, beschrieben mit der Schriftart alter Schreibmaschinen, die aus braunen Umschlägen ragen. Sie geben den Besuchern ein Gefühl dafür, dass dieser fröhliche Einblick in das normale Leben der Juden nicht lange Teil der Performance sein dürfte.

Dieser Gegensatz zwischen dem normalen Leben der jüdischen Bevölkerung und dem Terror der Reichspogromnacht, der jede Normalität beendet, durchzieht das Stück. Mithilfe der Quellen der Mahn- und Gedenkstätte greifen die Mitglieder des Theaterkollektivs auf Zeitzeugenberichte zurück. Zu Beginn performen sie auf Basis dieser Berichte Anekdoten der Düsseldorfer Juden, die trotz der diskriminierenden Gesetze versuchten, ihren Alltag zu bewahren. Sie spielen dabei in wechselnden Rollen die späteren Opfer des Pogroms. Das Publikum lernt ein Mädchen kennen, das ihren Lehrern Streiche spielte und ein Ehepaar, das in die Oper gehen möchte.

Diese Anekdoten machen den Schock der Opfer nachvollziehbar. Sie konnten sich selbst unter den Nationalsozialisten derartige Maßnahmen nicht vorstellen und mussten dann im Schlafanzug mit ansehen, wie ihre Möbel durch das Fenster geworfen wurden. Dieses Chaos inszeniert die Theatergruppe, indem Kleidung und Porzellan zwischen den Besuchern im Raum verteilt werden. Außerdem sorgt lautes Trommeln auf Tischen und Instrumenten dafür, dass das gesprochene Schauspiel kaum noch verstanden werden kann. Bei jedem erwähnten jüdischen Düsseldorfer erwähnen die Schauspieler dabei das Haus, in dem der Mensch wohnte. Durch die Nennungen von heute oft besuchten Straßen wie der Steinstraße oder der Schadowstraße wirken die Opfer der Reichspogromnacht auf einmal sehr nahbar.

Die trockene Inszenierung betont den Schrecken des NS-Terrors

Ganz endet die Normalität dann aber doch nicht, was die Wirkung der Inszenierung nur verstärkt. Wenn dann die Perspektive der Täter eingenommen wird zeigt sich der trockene und zynische Blick auf die Nacht des 9. November. Vor allem die Gestapoanordnungen, welche stakkatoartig an die Zuschauer herausgegeben werden, präsentieren die Täter die in der Selbstwahrnehmung eine Aufgabe erfüllen, wie an jedem anderen Tag auch.

Die vier Darsteller von „Pièrre.Vers“ stellen den Schrecken der Opfer ausdrucksstark dar. Manchmal jedoch schaffen sie es dabei nicht, ihre Rollen natürlich zu spielen und untergraben die ernste, szenische Installation zum ernsten Thema mit übertriebener Mimik und überbetonter Sprechweise. Gerade weil sie das Normale im Leben der Düsseldorfer Juden präsentieren, wirkt die teilweise wenig subtile Art zu spielen unpassend. Nichtsdestoweniger erreicht das Kollektiv mit „Schwarz-helle Nacht“, dass das Leben der Juden in den 1930er Jahren inmitten der Düsseldorfer Gemeinschaft erfahrbar wird – ebenso wie das abrupte Ende von so etwas wie Alltag.

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