Düsseldorfer Malerin reflektiert über den Erdball Abfall und galaktischer Staub im Bild

Düsseldorf · Silke Albrecht, Meisterschülerin von Gursky, reflektiert über den zersprungenen Erdball.

 Silke Albrecht gibt ihren grandiosen Bildern neuerdings eine kritische Note.

Silke Albrecht gibt ihren grandiosen Bildern neuerdings eine kritische Note.

Foto: Helga Meister

Silke Albrecht, Jahrgang 1986, verlockt durch ihre grandiose Malerei. Aber diese Kunst der Farbe ist nicht Selbstzweck. Schon 2016 kreiste sie in der Akademie-Galerie um das Anthropozän, die Epoche seit der letzten Eiszeit also, in der der Mensch das Erdsystem verändert. Der Künstlerin geht es um den Verlust eines einheitlichen Weltbildes im Kontext zeitgenössischer, geologischer und ökologischer Probleme. „Shattered Earth“, Zersprungene Erde“ nennt sie ihre Schau in der Galerie Philipp von Rosen, auf die sie ein ganzes Jahr in ihrem Atelier in Flingern hingearbeitet hat.

Obwohl die Werke sehr koloristisch wirken, sind es keine Gemälde mehr,  sondern Collagen, Assemblagen, Genähtes und Gesticktes. die Künstlerin schüttet, wischt, zeichnet auf dem Boden. Sie leitet die fließende Farbe geschickt und dirigiert dabei den Zufall. Zum Beispiel hat sie für das Bild „Blut und Boden“ den Deckel eines Maleimers unter die Leinwand gelegt und drum herum die Farbe geschüttet, so dass sie  strahlenförmig zu allen Seiten floss. An einigen Stellen rutschte sie ab, woraufhin die leere Leinwand wie ein Lichtknall wirkt. Dann aber präzisierte sie die Szene mit dem Pinsel, setzte Schatten und malte dort, wo der Deckel unter der Leinwand lag, ein schwarze Loch. Licht, Energie und Masse sind so auf einem kleinen Flecken im Bild vereint.

Sie manipuliert nicht nur den Farbprozess, sondern arbeitet auch mit verschiedenen Materialien wie Lack, Acryl, Pigment, Plastikfolie, Stoff, Garn, ja sogar mit einem Handtuch und einem Sportschuh. „Man kann alles verwenden“, sagt sie. Selbst Tüten aus dem Supermarkt mit Plattitüden von der Nachhaltigkeit werden aufgetrennt, mit Binder auf die Leinwand geklebt und per Hand gestickt. Afrikanische Stoffe mit einer besonderen Struktur sind aufgenäht. Sie sagt: „Ich versuche, im Malprozess alles zu benutzen, was ich habe und was ich eigentlich entsorgen könnte. Ein ausgemustertes Hemd kann auch wiederverwendet werden.“

All den Wohlstands-Müll aus Plastikfolien, Papierfetzen und Metallen kombiniert sie zu einer neuen Art der Wiederverwertung im Bild. In ihrem Atelier gibt es eine Ecke, wo sie die Reste sammelt, um sie auf ihre Weise einzusetzen. Manches Ding schwimmt nun in Malerei und hat doch einen symbolischen Wert. Beliebt ist Plastikfolie, sie verhüllt und schützt. Sie übt Distanz und gibt zugleich den Blick auf die Malerei frei. Der zerschnittene Sportschuh verweist auf den Fußabdruck des Menschen. Die Projektfolie mit gelee-artigen Überzug dient dazu, um Spuren wie Fingerabdrücke zu hinterlassen.

Sie setzt zugleich Filmstills wie von einer Filmreise ins Universum ein, um Kosmos, galaktischen Staub und die Reste und Materialien von der Erde miteinander zu verbinden. Dass bei aller Diskrepanz der Mittel und der inhaltlichen Überlegungen eine malerische und ästhetische Wirkung ihrer Werke entsteht, ist beeindruckend. Dabei arbeitet sie minutiös, lässt einen Farbtropfen auf dem nassen Lack aufplatzen und zerfleddern oder auf einem trocknen Untergrund sich verdichten. Die Folie über allem bringt den Überglanz. Ein großer Schritt ist dies von der bloßen Schönheit des Bildes zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart, ohne die Ästhetik zu verleugnen.

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