Kunstprojekt : Ausstellung im Düsseldorfer KIT: Beton-Ruinen als wichtiges Erbe der Städte
Düsseldorf Der Künstler Manuel Schroeder würdigt die Hinterlassenschaften aus dem grauen Material: mit Fotos, Videos und Rauminstallationen.
Beton – das war nach dem Zweiten Weltkrieg das Baumaterial par excellence. Weltweit. Ob Hochhaussiedlungen, Kirchen, Kunsthallen, oder Rathäuser – sie erschienen in rohem Beton. Unverputzt, ungestrichen, ungekünstelt. Urheber waren die sogenannten Brutalisten. Eine Architektur-Bewegung, die keinen Stil mehr verfolgte, sondern nur das Material sprechen lassen wollte. „Brut“ sollten die Bauten sein, nicht brutal, sondern pur und wahrhaftig. Diese Gebäude mit ihren schrundigen Fassaden symbolisierten lange eines: Hässlichkeit. In den letzten Jahrzehnten haben die Städte vieler diese „Betonungetüme“ abgerissen.
Doch seit einigen Jahren findet ein Wandel statt: Brutalistische Bauten werden wiederentdeckt und wertgeschätzt. Vereine, Blogs und Museumsausstellungen holen sie wieder ins Gedächtnis und engagieren sich für ihren Erhalt. Auch Künstler setzen sich verstärkt mit Beton auseinander. So auch der Berliner Fotograf Manuel Schroeder. Zusammen mit der Stiftung Kunst, Kultur und Soziales der Sparda-Bank West hat er im KIT ein Ausstellungs- und Vermittlungsprojekt initiiert, das sich dem Beton verschreibt. Es nennt sich „Concrete Delusion – Resources and Landmarks“ („Beton-Wahn – Rohstoffe und Landmarken“). Im Mittelpunkt stehen Beton-Ruinen in öffentlichen Räumen, die Beton-Reste einstiger Bahn-, Industrie- und Militäranlagen. Die verfallenen Architekturen ruhen heute häufig auf Brachflächen, überwuchert von Pflanzen. Stadtplaner, Architekten oder Bürger betrachten diese Beton-Hinterlassenschaften oft als Abfälle, die die Landschaft verschandeln und dementsprechend zu entsorgen seien. Manuel Schroeder sieht das anders: Für ihn zählen die Beton-Ruinen zum kulturarchäologischen Erbe, das es zu bewahren gelte. Das KIT könnte für sein Kunst-Projekt kaum passender sein, handelt es sich bei dem unterirdischen Ausstellungshaus am Mannesmannufer doch um einen Tunnelrestraum, der entstand, während der Rheinufertunnel gebaut wurde.
Der 56-jährige Künstler präsentiert neben Fotografien auch Boden- Sound- und Videoinstallationen. Die Aufnahmen zeigen Beton-Ruinen in Lettland und Weißrussland: Beton-Holme, die auf einer Brache hinaufragen. Wie steinerne Baumstämme, überwuchert von Gras, im Sonnenlicht. Schroeder verleiht dem Verfall eine poetische Aura. Durch den Kopf flimmern Szenarien: Waren diese Beton-Stelen Teile eines Grenzzauns? Falls ja, ein Grenzzaun von was? Einer Kaserne? Einer Fabrik? Es handelt sich um Begrenzungspfähle einstiger Industrie- und Militäranlagen, die sich heutzutage häufig in Osteuropa finden.
Manuel Schroeder hat sein „Beton-Projekt“ vor fünf Jahren in Lettland begonnen. Vor allem in Daugavpils. Die Stadt gilt bis heute als einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Bahn zwischen Russland und dem europäischen Kontinent. „Lettland ist eine der baltischen Staaten, in dem die ehemalige Sowjetunion sehr viele Industrie- und Militäranlagen gebaut hat und nach dem sogenannten Verfall der Sowjetunion 1991 wurde blitzschnell alles an Industrie aufgelöst und diese Gebäude und Kasernen sind verfallen. Die Beseitigung von Beton ist mit enormen Kosten verbunden. Also hat man sich entschieden, das Ganze verfallen zu lassen. Das ist für den Künstler ein besonderes Territorium“, sagt Schroeder.
Der Berliner Fotograf fängt die verfallenden Gebäude ein. In Wäldern oder abseits der Straßen hat er sie entdeckt. Fundamente, Mauerreste, zerbrochene Beton-Quader. Meistens überwuchert von Gras, Farnen und Dickicht. Über die steinernen Ruinen zieht sich auch Patina. „Wasser und Sonne zerstören Beton, brechen ihn. Die meisten Hinterlassenschaften stammen aus den 40er und 50er Jahren. Bis in die 70er Jahre hatte Beton eine für uns – heute gesehen – schlechte Qualität. Es waren sehr viele Poren im Material, es war zum Teil zu grob, das heißt, das Wasser konnte eindringen und das ist das Gefährlichste für solche architektonischen Projekte“, erklärt Schroeder.