Premiere in der Rheinoper „Ein Individuum in einer Gruppe, das ist das Besondere am Menschsein“

Düsseldorf · Die Compagnie der Deutschen Oper am Rhein bereitet sich auf ihre Premiere am 2. April vor. „One and others“ verbindet drei extrem anspruchsvolle Tanzstücke. Erste Eindrücke aus der Ballettwerkstatt.

 Szene aus Demis Volpis „One and others“ mit Futaba Ishizaki und Tommaso Calcia.

Szene aus Demis Volpis „One and others“ mit Futaba Ishizaki und Tommaso Calcia.

Foto: Bettina Stoess

(saja) Noch wird am Werk geschliffen und gefeilt. Noch werden Bewegungen seziert und neu zusammengefügt. Tippt die Zehenspitze auf den Boden auf, oder verharrt sie schwebend in der Luft. Ist da genug Druck auf dem einen Fuß, um die Pose zu präzisieren? Muss diese Umarmung mit einem Ruck erfolgen? Für den Laien sind das Nuancen, für Ballettdirektor Demis Volpi die letzten Tage für der Premiere von „One and others“.

 Sharon Eyals „Salt Womb“ ist das dritte Stück des umfangreichen Ballettabends.

Sharon Eyals „Salt Womb“ ist das dritte Stück des umfangreichen Ballettabends.

Foto: Bettina Stoess

Drei Juwelen haben Volpi und sein Team für den Ballettabend am Samstag, 2. April, aneinander gereiht. Der rote Faden ist das Thema: ich und die anderen, das Individuum und das Kollektiv.

Da ist wie ein geschliffener Diamant – präzise, kühl und schillernd – die Choreografie „Polyphonia“ von Christopher Wheeldon. 2001 hat der Brite es für das New York City Ballet erarbeitet. Es knüpft an den neoklassischen Stil von George Balanchine an. Vier Paare bewegen sich in versetzten Abläufen und treffen sich wie in einem Kanon immer wieder in synchronen Bewegungen.

Da ist das zweite Stück „One and others“ von Volpi selbst, das auch dem Abend den Namen gibt: ein Smaragd, natürlich, rau, zerklüftet, mit Höhen, Tiefen, Abgründen, Maserungen. Fünf Paare verhandeln darin das Miteinander der Menschen. Mal harmonisch und synchron, mal ruppig und ausgrenzend. „Alle fünf Paare haben in einem Teil die gleichen Schritte bekommen als Startpunkt, aber jedes Paar hat sie unterschiedlich vertanzt. Da ist etwas passiert. Ich habe versucht, diese Unterschiedlichkeit zu betonen. Ein Individuum in einer Gruppe, das ist das Besondere am Menschsein“, erzählt der Ballettchef.

Volpi hat die Choreografie 2015 mit dem Ballet Nacional del Sodre in Uruguay geschaffen. Auf Nachfrage der argentinischen Tanzlegende Julio Bocca. Heute erinnert sich Volpi an diese extrem sportliche Herausforderung: „Für die 30-minütige Choreografie hatte ich zweieinhalb Wochen Zeit.“

Noch etwas verbindet die Aufführungen in Uruguay mit den künftigen in Düsseldorf: Lara Delfino. Damals in Montevideo war sie die zweite Besetzung der Hauptrolle, jetzt tanzt sie die Hauptrolle. „Als ich wusste, dass ich Ballettdirektor in Düsseldorf werde, habe ich sie angerufen. Ein paar Tage später hat sie zugesagt. Sie hat einen sehr eigenen Stil, eine Stärke in der Weichheit“, erklärt Volpi.

Das Licht spielt eine besondere Rolle, es tanzt sogar mit

Das Licht spielt in diesem Stück eine besondere Rolle. „Es tanzt mit; es hat eine organische Form. Die Tänzer bewegen sich oft am Rande des Lichts“, sagt Volpi. Die Musik von Christos Hatzis fand er in Stuttgart, in seinem damaligen Lieblingsplattenladen. „Es ist ein sehr spezieller Klangeindruck, der den Kehlkopfgesang der kanadischen Inuit aufgreift“, sagt Dramaturgin Carmen Kovacs

Das dritte Stück des Abends „Salt Womb“ ist wie ein dunkler, geheimnisvoll funkelnder Saphir, eingetaucht in die rhythmisch-rauschhafte Technomusik von Ori Lichtik. Die Israelin Sharon Eyal, die auch Einflüsse der Bewegungssprache Gaga verarbeitet, hat „Salt Womb“ 2016 mit dem Nederlands Dans Theater uraufgeführt. Mit sich wiederholenden, zuckenden und kraftvollen Bewegungen bauen die Tänzer eine Trance auf.

Doch so unterschiedlich die drei Choreografien des Abends auch sein mögen, Volpi sieht eine Gemeinsamkeit: Sie alle fußen auf der klassischen Sprache des Balletts. „Es ist das Kollektiv, aus dem sich die Individuen herausbilden. Wenn man so will, haben wir hier eine Zeitreise des klassischen Tanzes in chronologischer Reihenfolge: 2001, 2015, 2016.“

Noch laufen die Vorbereitungen zu dieser besonderen Reise. Die Stationen und Schritte haben die Tänzer längst im Kopf. Jetzt geht es um Feintuning. Es macht den Unterschied zwischen einem Kopf, der gedreht oder herumgerissen wirkt. Auf der Bühne ist das Zentimeter- und Millimeterarbeit. In der Diagonalen etwa müssen die Schritte größer werden, findet Volpi. Die Stellen, an denen Lara Delfino von mehreren Männern wie eine Puppe gehoben, getragen, geschliffen, verrenkt und gezerrt wird, werden die Bewegungen  entknotet und neu vertäut. Denn eines sollen die Zuschauer nachher bekommen: perfekte Reisebilder.

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