Kultur : „Um zu sterben, leben wir ein Leben lang“
Düsseldorf Ein neues Buch namens „Dancing with Mr. D, Tod in Popmusik und Kunst“ über Bands wie Die Toten Hosen und Sänger wie Leonard Cohen und David Bowie ist erschienen. Die Herausgeber wollen auf die Grafiksammlung „Mensch und Tod“ der Heinrich-Heine-Universität hinweisen.
Die Menschen sind sterblich, aber wollen vom Tod nichts wissen. Sie nehmen ihn höchstens als Maskottchen für den Spazierstock. Rockstars und Malerfürsten kokettieren mit dem Totenkopf als Accessoires oder zelebrieren das böse Ende als Teil der Event-Kultur. Doch in Zeiten von Corona-Viren wird es ernst. Just zu diesem Zeitpunkt erscheint das Buch „Dancing with Mr. D, Tod in Popmusik und Kunst“. Darin erfährt der Leser, wie Stars der Szene ihr Ende schrill, schockierend und bunt selbst inszenieren.
So teilen Leonard Cohen und David Bowie ihren Übergang vom Leben zum Tod den Fans öffentlich mit. Cohens „You Want It Darker“ erschien 2016 nur 19 Tage vor seinem Tod und gilt als schwärzestes Album der Popgeschichte. Der schwerkranke Sänger singt mit gebrochener Stimme seinem Ende entgegen. „Ich bin bereit, mein Herr“ (I am ready, my lord“). Die Worte erinnern die Autorin Susanne Günthner an den Dialog von Abraham vor Gott, als er seinen Sohn Isaak zur Opferung festgebunden hatte. Das Bibelzitat wird von einem kaum hörbaren Schlagzeug, einer Orgel und einem melancholisch klingenden Männerchor begleitet.
Bowies letztes Album erscheint zwei Tage vor seinem Tod
David Bowie lässt über seine Label-Firma sein letztes Album „Black Star“ („Schwarzer Stern“ und „Schwarzer Star“) zu seinem 69. Geburtstag am 8. Januar 2016 erscheinen. Zwei Tage später ist er tot. Vorab übermittelt er sein Ende im Song „Lazarus“ mit himmlischen Klängen und Chören und textet: „Schaut her, ich bin im Himmel“. Wie der Lazarus aus dem Johannes-Evangelium, der durch Jesus von den Toten erweckt wird, hofft er auf ein gutes Ende auf dem Sterbebett. Im Video steigert er sogar seinen schaurigen Abgesang. Im weißen Leinenhemd liegt er wie eine Mumie da, die Augen mit Binden umwickelt, klammert sich singend an seine Decke und beobachtet den Totenengel, der nach ihm greifen will.
Jessica Nitsche schildert Wim Wenders preisgekrönten Spielfilm „Palermo Shooting“ mit seinem todesaffinen Soundtrock und mit Campino von den Toten Hosen als Fotograf Finn, der dem Tod begegnet. Überhaupt trägt die Düsseldorfer Band immer wieder Trauer. So wurde 1989 der junge Schlagzeuger Jakob (Jake) Keusen ermordet, weil sich ein Nachbar vom Trommeln gestört fühlte. Bei ihrem 1000. Konzert 1997 im Rheinstadion starb ein 16-jähriges Mädchen, dem die Toten Hosen das melancholische Lied „Alles ist eins“ widmeten. Es wirkt wie ein Glaubensbekenntnis: „Es ist der Tod, der wie ein Stern unverhofft vom Himmel fällt und irgendwo am Horizont lautlos im Meer versinkt. Und wenn er kommt, hab keine Angst, jedes Ende ist ein Neuanfang. Um zu sterben, leben wir ein Leben lang, alles ist eins und gehört zusammen.“
Vom Gegenteil handelt der Beitrag des Theaterwissenschaftlers Nicolas Gaspers, der kriminalistisch genau den „kannibalistischen Tötungsfall von Rotenburg“ beschreibt, der den Rammsteinern als Vorlage für „Mein Teil“ dient. Mit ihrer musikalischen Härte, ihren pyromanischen Bühnenshows, den tabuisierten Inhalten und dem diabolischen Sprechgesang Till Lindemanns ist diese Band längst in die Musikgeschichte eingegangen. Oberstes Prinzip ihrer exzessiven Showelemente und Kannibalismusfantasien ist der Schock. Er basiert auf realen Verbrechen und Katastrophen wie der Vergewaltigung von Josef Fritzl an der eigenen Tochter, den Missbrauchsskandalen der Kirche und dem Flugzeugunglück bei Ramstein (nur mit einem „m“), das der Band den Namen gab. Der Tod gilt als „höchstmögliche erotische Lustbefriedigung“, so Gaspers.