Auftakt Düsseldorfer Literaturtage Texte entführen in wunderbare Welten

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Literaturtage starteten mit digitalen Lesungen. Dabei wurde deutlich: Gute Literatur wird gerade jetzt gebraucht.

 Vera Vorneweg entführte den Zuhörer mit der U78.

Vera Vorneweg entführte den Zuhörer mit der U78.

Foto: Literaturbüro NRW

Reisen sind in den vergangenen Monaten mehr noch als früher zur tiefen Sehnsucht geworden. Wo die Pandemie dirigiert, bleibt kaum Platz, sich frei zu bewegen und den Alltagstrott abzuschütteln. Umso wichtiger ist es, alternative Wege zu suchen, die aus der Routine führen – und sei es nur für einen Augenblick.

Gute Geschichten schaffen diesen Transfer mühelos – das wurde auch bei den ersten Veranstaltungen der 11. Düsseldorfer Literaturtage wieder deutlich. Die literarische Reise führte an fremde Orte, in längst vergangene Zeiten und zu interessanten Begegnungen. Der „Pimmelmann“ etwa war bis dato wohl keinem der Zuhörer ein Begriff.

Lesungen wirkten wie ein seelischer Kurzurlaub

Das die Lesungen trotz des digitalen Abstands so immersiv wie intensiv waren, ist der Qualität der vorgetragenen Texte zu verdanken. Obwohl jeder Autor bei der Auftaktveranstaltung nur 15 Minuten Zeit hatte, schafften sie es in wenigen Sätzen, den Zuhörer gedanklich wie emotional zu bewegen. Ein seelischer Kurzurlaub, der gerade in diesen monotonen Zeiten wertvoll und wichtig ist.

Insgesamt acht Düsseldorfer trugen hier ihre Texte vor, wodurch es stilistisch und thematisch ein facettenreicher Abend wurde. In einem Moment saß das Publikum bei der historischen Erzählung von Helge Hesse neben George Washington und Marie-Antoinette am Frühstückstisch, kurze Zeit später raste er im Krimi von Jan Michaelis bei einer Verfolgungsjagd durch das Düsseldorf der Nachkriegszeit. Oberflächliche Unterhaltung suchte man dabei vergebens: Oft wurden ernste Töne angeschlagen, etwa, wenn der „Prologue“ von Kerstin Langes Roman „Lügenbilder“ die Ereignisse der Reichspogromnacht und die Verzweiflung der Betroffenen ins Rampenlicht rückte. Auch Aylin Celiks Texte über das Leben zwischen Kulturen und die Konfrontation mit Vorurteilen und Rassismus war keineswegs leicht verdaulich, aber gerade deswegen umso wichtiger für die Lesung. Die intelligenten Perspektivwechsel machten verlockende Angebote an den Hörer, Geschichte, Gesellschaft und sich selbst zu hinterfragen.

Aufgelockert wurde der Abend durch lyrische und witzige Momente. Vera Vorneweg fuhr mit dem Zuhörer mit der U78 durch Düsseldorf und schaffte es, die eigentlich gewöhnliche Fahrt in einem Mosaik verschiedenster Eindrücke festzuhalten: Das Leben in der Stadt leuchtete hier in all seinen Facetten. Martin Baltscheit kombinierte in seinem Buch „Sonntagsblätter“ mit dem Autor Zoran Drvenkar Illustrationen und Texte miteinander, wodurch 52 vollkommen unterschiedliche Kurzgeschichten entstanden. Mal ging es um den „Pimmelmann“, eine Actionfigur, die plötzlich aus einer Cornflakespackung purzelt, mal um die innige Verbindung zwischen zwei Liebenden.

Die Reise ging auch durch das Ghana des 15. Jahrhunderts

Ganz alleine im Mittelpunkt stand einen Tag später der Roman „Adas Raum“ von Sharon Dodua Otoo. Die Autorin erzählt die Geschichte von vier Frauen, die alle „Ada“ heißen und sich in augenscheinlich unterschiedlichen Situationen befinden. Der Zuhörer besuchte Ghana im 15. Jahrhundert ebenso wie die Gegenwart. Intelligent deckt Otoo bei diesen Sprüngen durch Zeit und Raum strukturellen Rassismus und Frauenfeindlichkeit auf. Einfach macht sie es dabei keiner Protagonistin, das wird bereits zu Beginn der Lesung klar, als ein Baby stirbt. Doch Otoo schafft es, solch schmerzhaften Momente zu skizzieren, ohne den Hörer abzuschrecken. Man will mehr erfahren. Weil ihre Botschaft so stark ist und ihre Worte so präzise gewählt wurden. Jedes Schicksal in diesem Buch hat Gewicht und sollte erzählt und gehört werden. Das macht der Dialog zwischen ihr und Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW bei der Lesung besonders deutlich.

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