Ausstellung im Heinrich-Heine-Institut Collagen von Herta Müller

Im Heine-Institut setzt die 67-Jährige Wortschnipsel in Szene, die sie nach dem Zufalls- und Lustprinzip ausgewählt hat. Das Ergebnis ist inspirierend.

 Vor der Vernissage der Schau im Heinrich-Heine-Institut (Bild) gibt es eine Lesung im Maxhaus.

Vor der Vernissage der Schau im Heinrich-Heine-Institut (Bild) gibt es eine Lesung im Maxhaus.

Foto: Landeshauptstadt Düsseldorf / Michael Gstettenbauer

Haben Sie schon einmal versucht, „Segelflugzeug“ auf Kölsch auszusprechen? Um dann überrascht festzustellen, dass hierbei die drei „g“s alle verschieden klingen? So oder so ähnlich mag es der Nobelpreisträgerin Herta Müller mit ihren Wortsammlungen ergehen. Nach Zufalls- oder Lustprinzip aus einem Textblatt geschnitten, liegen die Wörter zunächst herum. Wenn die Schriftstellerin sie wieder einsammeln will, fallen ihr immer wieder neue Eigenarten auf: Im „Jahrhundertsommer“ stecken Hunde drin. Kleingeschrieben, also neu kombinierbar. Mit „hundeelend“ wird ein Adjektiv daraus, und so weiter. Je länger man die Wortschnipselei betreibt, desto faszinierender lesen sich deren neue Verortungen.

Um der Unzahl an Wörtern Herrin zu werden, hat die Autorin sie in Schubladen gesteckt. Dort warten sie darauf, endlich in einem neuen Text benutzt zu werden. Müllers Collagen sind jetzt im Heinrich-Heine-Institut zu bewundern. „Der Himmel fällt vom Pferd herab“ heißt die Schau. Sie präsentiert in zwei Räumen mehr als 120 Originale. Verschiedene Materialien aus dem Besitz Herta Müllers lassen den Entstehungsprozess der Collagen sichtbar werden. Jedes einzelne Wort erhält einen eigenen Klebeboden. Mit großer Sorgfalt behandelt, reihen sich dann die Farben der Wörter zu überraschender Buntheit.

Die Künstlerin sagt: „Das ist alles intuitiv. Ich rechne damit, dass ich das Wort brauche, sonst würde ich es ja nicht ausschneiden, aber woran ich das festmache, weiß ich nicht. An gar nichts. Es gibt natürlich auch Wörter, die einem gefallen, zum Beispiel das Wort ‚Karussell‘, das würde ich immer ausschneiden.“ Weil in diesem Wort ihre ganze Kindheit in einem rumänischen Dorf steckt: 1953 in dem deutschsprachigen Nizkydorf geboren, lebt Herta Müller seit 1987 als Schriftstellerin in Berlin. Aber gerade die Collagen erinnern sie an ihr Leben unter der Ceausescu-Diktatur: „Die ganze Kleberei hat womöglich mit meiner früheren Zeit in Rumänien zu tun. Dass es unzählige bunte Zeitschriften gibt, so gutes Papier, so viele Texte, die nur flüchtig gelesen und schon weggeschmissen werden – das alles kannte ich in Rumänien nicht. Es gab nur graue, nach Schmieröl stinkende Staatszeitungen, sonst nichts. Schon vom Umblättern kriegte man schwarze Finger.“

Die Ausstellung wird am Samstag, 19. September, um
19 Uhr mit einer Lesung Müllers und einem Gespräch mit dem Buchhändler Rudolf Müller eröffnet. Aufgrund der Pandemie findet die Veranstaltung nicht im Heine-Institut sondern im Maxhaus statt. Vernissage ist am Sonntag, 11 Uhr, an der Bilker Straße.

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