Europapremiere beim Düsseldorf Festival. Wie der Mensch sich abzappelt

Permanent versucht der Mensch, sich zu optimieren. Wie das in der Akrobatik aussieht, zeigt die australische Produktion „Humans 2.0“.

 Der Circa Contemporary Circus zeigte seine Produktion „Humans 2.0“.

Der Circa Contemporary Circus zeigte seine Produktion „Humans 2.0“.

Foto: Düsseldorf Festival/Pedro Greig

Die Uhr tickt für uns Menschen: Immer rasanter und zugleich besser sollen wir werden, scheint es. Sozusagen 2.0, eine optimierte Nutzungsversion unseres Selbst. Diese Entwicklung nimmt sich der australische Choreograf Yaron Lifschitz mit zehn Artisten des Circa Contemporary Circus vor – und legt für die Europapremiere seiner Produktion „Humans 2.0“ schlicht eine runde weiße Matte auf die Bühne im Zelt des Düsseldorf Festivals.

Darauf bewegen sich die Akteure wie die lebendig gewordenen Ziffern eben jener Uhr – des Lebens, des Fortschritts? Eine entfernte Erinnerung an Charlie Chaplin wird wach, der in seinem Film „Moderne Zeiten“ zwischen Maschinenräder geriet. Bei „Humans 2.0“ wirken die Menschen selbst wie die sich drehenden und umeinander wendenden Teile einer großen, unsichtbaren Maschinerie. Dabei entfalten sie bewundernswerte Kräfte mit einer Konzentration, die sicher bis in die letzte Reihe des voll besetzten Zeltes zu spüren war.

Nicht jedes Kunststück gelingt, doch es geht einfach weiter

Meist nur mit einer dünnen, schwarzen Netzhaut bekleidet, stemmen sie einander zu kompliziert gebauten Menschenpyramiden in die Höhe. Spreizen und verdrehen ihre Gliedmaßen. Gleiten aneinander entlang, um im Team wieder in die nächste, teils angestrengt wirkende Körperposition zu gelangen. Zappeln im nächsten Moment, als seien Muskeln und Sehnen außer Kontrolle geraten. Tun dann alles, um der Schwerkraft entgegenzuwirken und sich immer wieder zu mehreren in neuen Körperkonstellationen zusammenzufinden – 2.0 halt. Die Aufführung trägt masochistische Züge – es muss einfach weh tun, was die da tun! Etwa wenn eine der Protagonistinnen sich an braunen, von der Decke herabhängenden Strapaten in der Luft verheddert. Oder wenn eine andere Artistin gleich zwei Menschen auf ihrem Bauch trägt, während ihr Körper sich am Boden trotzig zu einer Brücke aufbäumt. Alle Beteiligten schauen ernst, ihre Muskeln zittern sichtbar. Und die Schweißtropfen rinnen. Doch sie scheinen nicht anders zu können: Die immer mehr ins Stakkato verfallende Musik des Komponisten Ori Lichtik treibt sie voran, und zuweilen fällt auch das Publikum mit rhythmischem Klatschen ein.

Die Wechsel zwischen den vielen Verrenkungen der in grelles Licht getauchten Körper sind zuweilen so schnell, dass auch mal eine Nummer nicht wie geplant funktioniert. Dann gleiten die Maschinenmenschen in Windeseile auseinander und finden sich zum nächsten Balanceakt zusammen. Es muss weitergehen, für Wiederholungen bleibt keine Zeit. Am Schluss steht das Publikum zu Ovationen auf.

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