„Alles auf Anfang“ im FFT Passend zum Jahresbeginn: „Alles auf Anfang“ im Forum Freies Theater

Düsseldorf · Antje Pfundtner und ihr Team zeigen „Alles auf Anfang“ im FFT. Gut 40 Menschen aus Düsseldorf gestalten das Stück mit.

 Für „Alles auf Anfang“ holt die Hamburger Kompagnie Antje Pfundtner in Gesellschaft (APiG) auch Düsseldorfer auf die Bühne.

Für „Alles auf Anfang“ holt die Hamburger Kompagnie Antje Pfundtner in Gesellschaft (APiG) auch Düsseldorfer auf die Bühne.

Foto: Simone Scardovelli

Verunsicherung gibt es bei Antje Pfundtner in Gesellschaft, kurz Apig genannt, inklusive. Es wird philosophisch und konkret. Blockflöten kommen auch vor. Es wird von Neuanfängen erzählt. Nein, eigentlich nicht erzählt. Sie werden auf der Bühne praktiziert und inszeniert mit Tanz, Worten, Gegenständen, Witz, Ernsthaftigkeit und mit der Unterstützung der Düsseldorfer Komplizen. Das sind mutige Menschen, die in der Landeshauptstadt leben und sich für das Projekt „Alles auf Anfang“ angemeldet haben. Laien könnte man sie nennen, aber das wäre nicht Apigs Sprache.

 Antje Pfundtner ist Tänzerin und Choreografin.

Antje Pfundtner ist Tänzerin und Choreografin.

Foto: Anja Beutler

„Alles auf Anfang“ heißt es am Freitag und Samstag im Forum Freies Theater (FFT). Was würde besser passen zu dieser Zeit und zu diesem Ort? Es ist Jahresbeginn und das FFT gerade erst vor zwei Monaten in sein neues Zuhause am Konrad-Adenauer-Platz 1 (Kap 1) eingezogen. Aber Antje Pfundtner wäre nicht die ausgezeichnete Choreografin und Tänzerin, wenn es so simpel wäre. Zumal ihre Gesellschaft das Stück schon 2018 in Hamburg gezeigt hat.

Lose lehnt sich das Stück dabei an die Theorien der Publizistin Hannah Arendt an, die in jedem Neugeborenen, jedem Neuankömmling auf der Welt einen Neuanfang sieht, der das Existierende verändern kann. „Wir produzieren ständig Anfänge. Wir sind täglich dabei, etwas zu beenden und neu anzufangen. Wir treffen täglich unzählige Entscheidungen. Und manchmal wollen wir sicher auch bewusst etwas anders machen“, sagt Pfundtner.

 Passend zum Jahresbeginn:  „Alles auf Anfang“ stellt Fragen zu Ende und Neubeginn.

Passend zum Jahresbeginn:  „Alles auf Anfang“ stellt Fragen zu Ende und Neubeginn.

Foto: Simone Scardovelli

Noch komplizierter wird es, wenn man gemeinsam mit mehreren etwas anfängt – so wie in dem Stück, in dem Profis und Bühnen-Anfänger zusammenarbeiten. Jede Menge gibt es da zu verhandeln: Wer betritt die Bühne? Ist es der Anfang eines Einzelnen? Oder braucht es dazu mehr? Mehr Menschen, Miteinander? „Was ist deine Rolle? Wer bist du als Zuschauer? Auch die Zusehenden sind Teil des Ganzen. Deshalb ist auch keine Vorstellung wie die nächste“, sagt die Choreografin.

„Alles auf Anfang“ ist Teil einer Trilogie, die ihrerseits ihren Anfang in Albrecht Dürers Meisterstich „Melencolia“ findet. Melancholie, Zeit und Vergänglichkeit – das sind die großen Themen dieses Tanztheater-Dreiteilers. Übermächtige Themen, die Pfundtner und ihr Team verhandeln, hinterfragen, sezieren und inszenieren.

„Wir haben uns gefragt, worauf dieser Engel so melancholisch blickt. Melancholie ist für mich nicht unbedingt ein trauriges, sondern ein produktives Moment“, erklärt Pfundtner. „Ende“ haben sie den ersten Teil der Trilogie genannt. „Alles auf Anfang“ ist der zweite Teil. Der dritte Teil „Sitzen ist eine gute Idee“ beschäftigt sich mit der Frage „Wofür stehst du auf?“.

Anders als andere Künstler hat die Pandemie die Hamburger Tanz-Gesellschaft nicht niedergerungen. „Wir haben das Privileg, eine Art Strukturförderung zu haben: Tanzpakt, eine Stadt-Land-Bund-Förderung“, sagt Pfundtner.

Apig konnte weiterdenken, verhandeln – und feiern. Ja, feiern, obwohl Pfundtner zunächst nicht danach zumute war. 2021hatte die Truppe ihr 20-jähriges Bestehen auf der Bühne. „Es war mir emotional und kulturpolitisch doch wichtig, diese Zeit gemeinsam zu markieren“, sagt sie. Ende Oktober gab es auf Kampnagel in Hamburg eine coronakonforme, vierstündige, sehr persönliche Gala. „Die Feier wollte überhaupt kein Ende nehmen. Meine 20 Jahre waren auch die 20 Jahre von vielen anderen: vom langjährigen Apig-Team, von Zuschauern, Kollegen, Förderern, Komplizinnen und Komplizen“, sagt Pfundtner, die schon mit Tanztheater-Ikone Pina Bausch, aber auch Samuel Beckett, dem Dramatiker des Theaters des Absurden, verglichen wurde. Allerlei Preise hat die Apig-Chefin mit ihrem Team eingefahren: 2016 den George-Tabori-Hauptpreis, 2020 die Ehrung des Deutschen Tanzpreises für herausragende künstlerische Entwicklung“ und den Theaterpreis „Der Faust“ in der Kategorie „Regie Kinder- und Jugendtheater“.

Da kann es die Tänzerin und Choreografin auch aushalten, wenn jemand mit ihren Stücken nicht so viel anfangen kann. „Sie beschreiben kein lineares Narrativ. Das macht zeitgenössische Kunst nie“, sagt sie. „Manchmal sagen mir Zuschauer: Ich fand euer Stück toll, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es verstanden habe. Ich vermute, dass das oft auch eine Verunsicherung ist, ob man alles richtig verstanden hat. Unsere Arbeit ist ein Zusammenspiel von Tanz, Sprache und Performance. Wir verbinden einige Genres – so ist im besten Fall für jeden ein Zugriff auf die Arbeit dabei.“

Eine philosophische Abenteuerreise, auf der man neue Gedanken entdecken und mitnehmen kann, aber eben nicht muss.

30 bis 40 abenteuerlustige Düsseldorfer sind im November mit Pfundtner und ihrem Team aufgebrochen.

Am Anfang gab es einen Thinktank; am Ende steht „Alles auf Anfang“: „Ich war sehr erfreut, dass so viele gekommen sind.“ Es seien viele Berufstätige darunter gewesen, aber auch junge Menschen, Rentner. Mehr Frauen als Männer, aber erstaunlich viele Männer.

Für Antje Pfundtner hat die Zusammenarbeit mit Komplizen immer etwas sehr Fragiles: „Das ist immer ein Wagnis“, sagt sie. Doch die 46-Jährige liebt das Abenteuer. „Mein Instrument ist eher das Klavier. Mit der Blockflöte verbindet mich eher eine Hassliebe, aber es ist gut, wenn auch ich auf der Bühne etwas aushalten muss“, sagt sie.

Die Blockflöten im Stück dürfe man ruhig grässlich finden. Aber sie haben eine Melodie, eine bekannte sogar. Man kann sie erkennen und lachen. Muss man aber nicht.

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