Die Toten Hosen lassen es zum Tourfinale krachen

Das Abschlusskonzert in der Arena wird zur schier endlosen Riesenparty, manche Fans reisen gar aus Argentinien an.

Düsseldorf. Die Aufforderung ist klar: „Es liegt an dir, du hast die Wahl - zwischen Spielzeugkarussell und Achterbahn.“ Und weil Karussell für Weicheier ist, entscheiden sich 47 000 für Karacho und lassen sich in die Mangel nehmen von denen, die am Steuer der Rock-Achterbahn sitzen: Die Toten Hosen feiern Tournee-Abschluss in der zweimal hintereinander ausverkauften Arena und kennen dabei weder Bremse noch Sicherheitsbügel. Eineinhalb Jahre am Stück haben sie die Republik bereist und 1,5 Millionen Menschen mit Krach beschallt. Jetzt, kurz bevor es erst einmal still werden soll um sie, wollen Campino, Kuddel, Andi, Breiti und Vom es auf Teufel komm raus nochmal wissen: Sie feiern sich in den Rausch. Und die Fans rennen tanzend und schreiend wie die Lemminge hinterher.

Schon während der ersten Stücke am ersten Abend erwecken die Fünf den Anschein, als ballerten sie auf ihren Instrumenten um ihr Leben - aus Angst vor Tod durch Langeweile in der hosenlosen Zeit: Nach „Ballast der Republik“ kommt „Altes Fieber“ kommt „Auswärtsspiel“ kommt der 1982er Urknall-Punk-Rotzer „Modestadt Düsseldorf“. Es ist ein Liedblock, der bis unter die Hallendecke begleitet wird von Massenchören und Bengalfackeln. Einmal muss wegen zu wildem Pogotanz unterbrochen werden. Die Schönheit des Moments fängt die Bildwand ein: Gitarrist Breiti vollführt mit seinen Fingern auf den Saiten den legendären, brachial kratzenden „Hosen-Hobel“ und schaut mit einem Blick ins weite Rund, der pure Überwältigung ausdrückt.

Thees Uhlmann von der Band Tomte sagte einmal, die Toten Hosen seien der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhalte. Recht hat der Mann. Zum Tournee-Ende sind noch einmal alle gekommen: Der Teen mit Iro auf dem Kopf steht neben dem Vater mit Kind auf der Schulter. Der Altpunk mit Lederkutte und schütterem Haar gesellt sich zum Multifunktionsjackenträger und feiert viele neue und noch mehr alte Hits. „Alex“ ist dabei und das „Liebeslied“. Der „Bommerlunder“ und die „Jägermeister“. Die Familie klappt ihr Liederbuch auf und singt.

„Noppa“ - Bandroadie der ersten Stunde - stürmt ans Mikro und pfeift den Takt von „Sascha“. In der Hallenmitte steht der Düsseldorfer Christian Pemsel, der heute 40 ist und schon in den 80ern Hosen-Konzertberichte für die Schülerzeitung schrieb. Fan Lisa aus Wuppertal, die zu „Paradies“ auf die Bühne geholt wird, trägt Zahnspange und ist ganz bestimmt noch keine 14, was bedeutet: Am Tag ihrer Geburt war der Song, den sie da unfallfrei neben Campino singt, bereits ein drei Jahre alter Hut. Und Marina Pirozzo und Guillermo Poplavsky sprengen sowieso jeden Rahmen von Rationalität: Das Paar hat für seine persönliche „Achterbahn“-Fahrt mit Campino-Knuddeln bei der anschließenden Aftershow-Party das Urlaubsgeld der kommenden vier Jahre verballert: Flug von Buenos Aires nach Düsseldorf und zurück. 32 Stunden, 23 000 Kilometer und 3000 Euro pro Person für 135 Minuten Spaß. Was für ein Aufwand. Es sei die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen, sagen sie.

Angeheizt durch das Publikum und eine Stadt, in deren Kneipen das ganze Wochenende über ihre Songs dröhnen und ihre Fans sitzen, übertreiben es die Hosen mit sagenhaften 34 Songs — einen Tag später sind es gar 36 - schon fast ein wenig. Am Ende holen sie sich ihr gehassliebtes „Tage wie diese“ für ein paar Minuten zurück aus den Klauen von Ballermännern und Politikern. Und die Frage in „Helden und Diebe“ — „Wie lang wollt ihr noch zu uns stehen?“ — entpuppt sich als das, was sie schon immer war: überflüssig. Die Antwort: Niemals! Die Bitte: Lasst die Bandpause bloß nicht zu lange werden!

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