Interview „Die Motivation kommt aus der Musik“

Düsseldorf · Interview Justine Wanat gibt Woche für Woche ihre Begeisterung für Musik und Gesang an Kinder weiter. Wir stellen die engagierte Chorleiterin vor.

 Justine Wanat leitet in Düsseldorf mehrere Kinderchöre. Unter anderem an der Clara-Schumann-Musikschule und die Akademie für Chor und Musiktheater an der Johanneskirche.

Justine Wanat leitet in Düsseldorf mehrere Kinderchöre. Unter anderem an der Clara-Schumann-Musikschule und die Akademie für Chor und Musiktheater an der Johanneskirche.

Foto: Akademie für Chor und Musiktheater

Justine Wanat leitet Kinderchöre an der Musikschule, gründete die Akademie für Chor und Musiktheater an der Johanneskirche, die in professionellen Aufführungen mitwirkt. Wir stellen die Chorleiterin vor.

Wie ist es dazu gekommen, dass Sie heute Kinderchöre leiten?

Justine Wanat: Das Singen war von Anfang an ein Teil meines Lebens. Meine Mutter sang immer zu Hause und ich habe ihr und meinem Vater – er hat sie am Klavier begleitet – immer zugehört. So fing ich schon mit fünf Jahren an im Kirchenchor zu singen. Nahm öfters die Gitarre von meinem Großvater in die Hand, zupfte passende Saiten zu meinem Gesang. Daraufhin sagte meine Großmutter: dieses Kind muss in die Musikschule. So hat es angefangen, mit Klavierunterricht. In der Musikschule schließlich durchgehend 12 Jahre lang. Ich merkte schnell, ich muss einfach Musik machen. Dann fing ich auch an in der Kirche Orgel zu spielen, einen Chor zu leiten. Schließlich entschied ich mich Chorleitung zu studieren, erhielt Dirigierunterricht bei dem Intendanten der schlesischen Oper in Bytom, schließlich wurde ich Chordirektor-Assistentin und Dozentin an der Hochschule.

Wie kamen Sie nach Deutschland?

Wanat: Ich habe mich irgendwann für die Familie entschieden und so kam es, dass ich nach Deutschland gekommen bin. Zuerst war ich zu Hause. Als meine Kinder in der Grundschule waren, hatte ich Kontakt mit der Musikschule und nahm eine Stelle als Chorleiterin an. Durch die Jahre habe ich schließlich eine Struktur aufgebaut.

Dann gründeten Sie die Akademie für Chor und Musiktheater an der Johanneskirche.

Wanat: In den Jahren zuvor hatte ich mich schon an Musiktheaterprojekte gewagt, dann kamen Aufträge von der Oper. Da wurde der Auftrag, das „Gesicht im Spiegel“ von Jörg Widmann zu singen, an mich herangetragen. Das war eine sehr schwierige Oper, zwölfstimmig, Cluster, atonal. Gerhard Michalski – Chordirektor der Oper – zeigte mir eine große Partitur und meinte, Frau Wanat, für dieses Werk brauchen wir die besten Sänger aus ihren Chorgruppen und sagen Sie mir, ob das überhaupt zu bewältigen ist. Ich mag solche Herausforderungen und merkte, dass man mit Kindern sehr weit gehen kann. Man kann sie mit dieser Leidenschaft und Freude fürs Singen und Musizieren anstecken. Sie sind ehrgeizig, offen auch für atonale Musik. Es war ein großer Erfolg damals.

Wie ging es weiter?

Wanat: Dann kam die Begegnung mit dem Düsseldorfer Mädchenchor, der auch Hänsel und Gretel in der Oper gesungen hat – auch mit diesem Chor habe ich viele Opern einstudiert. Merkte, dass sich manche Kinder noch intensiver mit Gesang beschäftigen möchten. So wie die Sportgruppen zwei-, dreimal in der Woche trainieren, braucht man auch in der Oper viel Erfahrung und Übung. Auch entsprechenden Klang, das verlangt eine individuelle und sensible Arbeit mit der Kinderstimme. Sowohl Kinder als auch Eltern haben mich motiviert die Akademie zu gründen.

Was fasziniert Sie an der Arbeit mit Kindern?

Wanat: Es ist eine sehr dankbare Arbeit, weil die Kinder glauben einem. Die Kinder glauben einem Chorleiter alles, vor allem im Grundschulalter. Die kleinen Kinder spielen gerne und das liegt mir auch – mit viel Bewegung, Tanzelementen. Die Kinder zu erleben, wenn sie Erfolg haben mit den Aufgaben, die sie hier einstudiert haben, ist wunderbar. Was das für eine Freude für sie ist, wie prägend es ist und wie selbstbewusst solche Erfolge sie machen. Man kann sich im Moment der Aufführung auf sie verlassen. Sie können sehr korrekt sein. Und das fasziniert mich jedes Mal. Im Jugendlichen-Alter versuchen sie zu diskutieren und auch das ist sehr wichtig. Ich möchte den Kindern eine Zuflucht bieten. Musik als Zuflucht, wie es Einstein mal gesagt hat. Wie schön sind doch diese Momente, wenn Kinder und Jugendliche sich plötzlich beim gemeinsamen Singen so in die Musik fallen lassen, dass man spürt, es ist wie ein Zauber über uns.

Gibt es ein Geheimnis, wenn man mit Kinderstimmen arbeitet?

Wanat: Ich verlasse mich auf die Motivation, die aus der Musik kommt. Ich zeige ihnen, wie schön das ist, wenn es so klingt und eben nicht anders. Ich nehme viele spielerische Aspekte dazu. Beispielsweise bei einem Kinderlied, das über Puppen erzählt, spielen wir beim Singen, als wären wir selbst die Puppen. Diese szenischen Elemente binde ich auch in den Prozess mit ein. Stimmbildnerisch kann man sehr viel mit Bildern arbeiten oder Kinder auch mit Gesten auf den richtigen Klang zuführen.

Was muss man stimmbildnerisch bei Kindern tun?

Wanat: Grundsätzlich experimentieren wir viel und zeigen, welche Klänge unsere Stimme bilden kann. Und das kann auch lustig sein, etwa wie ein Geist zu heulen oder einen Lippen-Triller zu machen. Ich ermutige die Kinder sich an die hellen Töne zu wagen, da erklingt die Kinderstimme besonders leuchtend. Natürlich ist es wichtig wie eine Chorleiterin selbst singt. Kinder wiederholen intuitiv den gehörten Klang. Eine gute Aussprache, Artikulation des Textes und eine ruhige Atemführung werden ebenfalls von Anfang an geübt.

Wie wichtig ist das Notenlesen?

Wanat: Viele machen zusätzlich außerhalb des Chores Instrumentalunterricht. Wir haben das natürlich auch bei uns im Blick. Just, da Sie es ansprechen, mit meiner Teamkollegin haben wir beschlossen, ab dem nächsten Schuljahr den Unterricht in der Akademie um Musiktheorie zu erweitern. Sie ist ausgebildete Pädagogin in der Ward Methode. Auf den Grundlagen, die die Kinder aus der Singpause mitbringen, wollen wir den Musiktheorieunterricht mit Intervalltraining, Noten lesen, Gehörbildung weiter vertiefen. Die lang gedachte Idee ist nun reif, umgesetzt zu werden.

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