Die Düsseldorfer Oper öffnet ihre Werkstatt

Die Rheinoper arbeitet an Benjamin Brittens "Peter Grimes", und erstmals ist Publikum bei der Bühnen- und Orchesterprobe zugelassen.

Düsseldorf. Sogenannte "Werkstattgespräche" sind an der Deutschen Oper am Rhein nichts Neues. Allerdings erschöpften sich solche Veranstaltungen bislang in ein paar Stellungnahmen von Regisseur, Dramaturg und Dirigenten, gefolgt von einigen am Flügel begleiteten sängerischen Kostproben. Erstmals gewährt nun aber das Haus tatsächlich Einblicke in den Entstehungsprozess einer Neuproduktion.

Die Besucher des ersten Werkstattgesprächs unter der Intendanz Christoph Meyers wohnten einer Bühnen- und Orchesterprobe bei. Erarbeitet wird derzeit Benjamin Brittens "Peter Grimes". Das Procedere der neuen Werkstattgespräche beginnt wie eh und je mit dem Podiumsgespräch im Rang-Foyer. Doch nach einer knappen Stunde über Handlung und Musik geht es hinein in den Saal, und die Besucher nehmen Platz im 1. Rang. Nun darf man sich eine Bühnen- und Orchesterprobe, bei der erstmals Orchester- und Szenenpersonal zusammentreffen nicht so reibungslos wie eine Generalprobe vorstellen. Es gibt knallharte Unterbrechungen - da wird auch nicht vor den schönsten Stellen Halt gemacht.

"Das ist irre laut hier", meldet recht plötzlich die Sopranistin Gun-Brit Barkmin, die die große weibliche Partie der Ellen Orford übernimmt. Man hört undeutlich eine Antwort, mutmaßlich von dem Jungen Ivaldo Bessière, auf die die Sängerin erwidert: "Du musst ja auch nicht singen, Schätzchen." Man merkt es gleich: Es herrscht ein herzlicher Ton. Die Durchdringung von Kunstwelt und Theater-Alltag muss auf den nicht involvierten Beobachter etwas verstörend wirken. Vor allem die Stelle, als die mütterliche Ellen den namenlosen Weisenjungen (stumme Rolle: Evaldo Beziére) ansingt, zieht einen zunächst tief hinein in die Szene, und beim Abbruch mittels Lautsprecheransage kann man sich schon jäh aus dem Prozess der Anteilnahme herausgerissen fühlen.

Dass unterdessen die Kostüme noch nicht fertig waren, wie gesagt wurde, fiel nicht auf, zu sehr ist man im Theater an jeden möglichen Look gewöhnt, unabhängig von der gespielten Zeit. Der erste Blick auf das Bühnenbild verrät aber schon etwas vom Konzept von Immo Karaman (Regie) und Kaspar Zwimpfer (Bühne).

Gezeigt wird nicht das englische Fischerdorf, in dem der Fischer Peter Grimes (Roberto Saccà, Tenor) in die Außenseiterrolle gedrängt wird, sondern eine psychologisch-symbolistische Fläche aus zahllosen verwittert grauen Türen und Fenstern im altenglischen Stil, ein zähflüssig wirkendes Material, das wie in einem Schwall aus dem Schnürboden hinabzufließen scheint, um den Boden zu bedecken und in die Tiefe des Orchestergrabens hinein auszufransen.

Benjamin Britten habe das pittoreske Fischerdorf nur als "Finte" gewählt, sagt Regisseur Immo Karaman. Es gehe, nicht darum, eine Idylle zu zeigen, sondern das tosende Meer als Metapher menschlicher Vernichtungsmaschinerie erfahrbar zu machen. Eine Illustration des Meeres habe Britten auch nicht beabsichtigt. "Das Meer spielt sich im Menschen ab." Brittens 1945 abgeschlossene Erstlingsoper sei als Nachhall auf den 2. Weltkrieg zu verstehen.

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