Der Verführerin verfallen

Rheinoper inszeniert Georges Bizets „Carmen“.

Düsseldorf. Neben Mozarts „Zauberflöte“, Rossinis „Barbiere“ und Verdis „Aida“ ist die „Carmen“ von Georges Bizet die beliebteste Oper der Welt. Allein an der New Yorker Met gab es mehr als 600 Mal „Carmen“. Und im Zuge des Rummels um die Verfilmung mit Julia Migenes und Placido Domingo in den 80er Jahren belegte die Oper über die verführerische, aber auch ins Verderben treibende Kastagnetten-Tänzerin bei einer weltweiten Publikumsbefragung unangefochten Platz Eins. Am 15. Oktober präsentiert die Deutsche Oper am Rhein nun im Theater Duisburg eine Neuinszenierung.

Mittlerweile ist die „Carmen“ zwar von der „Zauberflöte“ vom Siegertreppchen gepustet worden, doch unter den Top Fünf befindet sich Bizets Erfolgsstück noch immer. Es bietet ja auch allerhand musikalische Hits und szenische Blickfänge. Zu den Höhepunkten gehören gewiss die großen Soloauftritte der Carmen, ihre raffinierten Verführungs- und Fesselungsspiele, die bereits auf das Ende hindeuten, wo der eigentlich bereits verlobte Sergeant Don José der jungen Schönen hoffnungslos verfallen ist.

Doch auch die weniger prominenten Stellen wie die Kartenlegszene verdienen Beachtung. Bislang trat die Titelfigur wie ein unverletzbares, überlegenes Wesen in Erscheinung. Doch beim Kartenspiel mit den Freundinnen zieht Carmen ein Todesblatt. Das damit verbundene Erschrecken ist für sie, das rückhaltlos der freien Liebe frönende Naturkind, der erste Moment des Innehaltens und der Reflexion.

Bizet machte aus der Skandal-Novelle „Carmen“, die der französische Schriftsteller Prosper Mérimée Mitten im prüden 19. Jahrhundert veröffentlichte, ein Stück Musiktheater, das großen Melodienreichtum, spanisches Flair und Zigeuner-Exotik expressiv zusammenführt.

Als der Philosoph und langjährige Wagner-Freund Friedrich Nietzsche „Carmen“ kennenlernte, war das für ihn wie ein Befreiungsschlag von Richard Wagners gewichtiger Tonsprache, die ihn zusehends zu belasten schien. Über die Carmen-Musik schrieb Nietzsche, sie komme leicht, biegsam, mit Höflichkeit daher. „Sie ist liebenswürdig, sie schwitzt nicht.“ Und doch besitze sie die ganz große Tragik — allerdings „ohne die Lüge des großen Stils.“ Vielleicht liegt in der Verbindung von äußerer Leichtigkeit und innerer Gravität ein Magnetismus, der die „Carmen“ bis heute so anziehend macht.

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