Der verbotene Blick auf die nackte Wahrheit

Interview: Beat Wismer (53), Leiter des Aargauer Kunsthauses in Aarau, übernimmt am 1. März das museum kunst palast.

Düsseldorf. WZ: Herr Wismer, freuen Sie sich auf Düsseldorf?

Wismer: Ja, ich schätze die Stadt, habe Freunde hier. Von außen gesehen ist es das Zentrum eines großen Gebiets, von dem ich in kürzester Entfernung weitere sehr attraktive Orte habe.

WZ: Wie ist Ihr Verhältnis zur Event-Kultur?

Wismer: Mich hat gefreut, dass meine ziemlich rigide Haltung gegenüber der Event-Kultur meine Wahl an ein Institut, das erfolgreich sein will und muss, nicht verhindert hat. Natürlich freue ich mich über hohe Besucherzahlen, aber für mich ist ein Museum nicht in erster Linie ein Image-Träger für eine Stadt oder ein Faktor im Standort-Marketing. Mir geht es im Museum in erster Linie um die Kunst.

WZ: Das museum kunst palast ist eine Partnerschaft zwischen Stadt und Privatfirmen. Auf welche Bedingungen mussten Sie eingehen?

Wismer: Keine. Erwartet werden sporadisch sehr gut besuchte Ausstellungen, aber es gibt keine Vorgaben in Bezug auf die Besucherzahlen.

WZ: Was halten Sie von "Blockbuster-Ausstellungen"?

Wismer: Ich mag den Begriff nicht, aber wenn ich große Besucherzahlen erreiche, freut mich das natürlich. Es müssen aber auch Ausstellungen möglich sein, die wichtig sind, aber keine Publikumsmassen versprechen.

WZ: Wie sollen Sie den Ausgleich mit Eon treffen?

Wismer: Ich erbe die Partnerschaft mit Eon, aber, soweit ich sehe, nicht die Probleme, die es mit meinem Vorgänger Jean-Hubert Martin gab.

WZ: Martin war ein Verfechter der Art Brut, der Künste Afrikas, der scheinbar Primitiven. Welche Kunstzentren lieben Sie?

Wismer: Ich verstehe wenig von afrikanischer Kunst, aber ich stehe der außereuropäischen oder nicht- westlichen Kunst offen gegenüber. So möchte ich zum Beispiel, da Düsseldorf viele japanische Einwohner hat, eine Ausstellung mit zeitgenössischer japanischer Kunst organisieren.

WZ: Gibt es weitere konkrete Ausstellungspläne? Sie haben von einer Schau über den verbotenen Blick auf die Nacktheit gesprochen. Woran denken Sie dabei?

Wismer: Sie kennen die Geschichte Ovids von Aktaion, der die nackte Diane im Bade erblickt. Die Göttin findet das nicht so toll und verwandelt den Jäger in einen Hirsch, welcher daraufhin von seinen Hunden nicht mehr erkannt, sondern als Jagdbeute gerissen wird. So gefährlich kann der Blick auf die unverhüllte Nacktheit oder die nackte Wahrheit sein. Die Geschichte des Bildes ist seit der Antike bekannt und wurde in der Zeit des Manierismus und Barock sehr oft dargestellt. Von dieser Geschichte ausgehend möchten wir eine Ausstellung zum Verbotenen Blick entwickeln, von der Antike bis zur Gegenwart. Wir bemühen uns sehr, Courbets L’Origine du monde aus dem Musée d’Orsay zum ersten Mal in Deutschland zeigen zu können.

WZ: Das wäre eine Sensation - die Enthüllung des weiblichen Schoßes als Ursprung der Welt. Das Gemälde war 120 Jahre wegen seiner Freizügigkeit überhaupt nicht zu sehen. Doch nun zum Museum, Sie haben in Aarau die beste Sammlung an Schweizer Kunst aufgebaut. Was planen Sie hier?

Wismer: Ich möchte, dass das Museum mit einer ähnlich attraktiven Ausstrahlung wie die Wechselausstellungen das Publikum anzieht. Ich überlege mir, wie die Präsentation besser sein kann. Wir müssen den Besuchern die Wegfindung erleichtern. Wer weiß denn schon, dass es von der Kricke-Ausstellung ins Museum geht? Außerdem läuft die Sammlung etwas unter ihrem Wert, ihre Qualitäten sind zu wenig bewusst. Ich möchte Ausstellungen organisieren, die ihren Ausgangspunkt oder wichtige Anbindungen in der Sammlung haben.

WZ: Was werden Sie im Museum ändern?

Wismer: Ich möchte eine Art "Guest of Honor"-Reihe einführen, mit Bildern als Ehrengäste. Vielleicht wären die beiden Rubensbilder ja glücklich, mal mit anderen, ausgeliehenen Rubens-Bildern ins Gespräch zu treten. Ich werde die Sammlung nicht unverändert lassen.

WZ: Wie könnte man mehr Leute in den Ehrenhof holen?

Wismer: Der Ehrenhof liegt sehr schön, aber etwas abseits. Wenn es ein attraktives Restaurant gäbe und im Sommer der Außenraum als Garten-Restaurant genutzt werden könnte, kämen mehr Leute ins Museum.

WZ: Ihnen wird ein ideales Verhältnis zu Künstlern nachgesagt. Wen kennen Sie hier schon?

Schwerpunkte Die konkreten und konstruktivistischen Pioniere der Schweiz, aber auch Architektur. Er hat die Star-Architekten Herzog & de Meuron zu einem Erweiterungsbau in Aargau bewegt. Das lässt auf Ideen für Düsseldorf hoffen.

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