Film Der oscarprämierte Filmtrickspezialist Volker Engel kommt ins Filmmuseum Düsseldorf

Düsseldorf · Für die Filmtricks von „Independence Day“ hat Volker Engel als erster Deutscher den Oscar erhalten. Am Sonntag kommt er ins Filmmuseum.

Angriff der Aliens: In „Independence Day“ von 1996 besetzen riesige außerirdische UFOs die Metropolen der Welt, hier New York.

Angriff der Aliens: In „Independence Day“ von 1996 besetzen riesige außerirdische UFOs die Metropolen der Welt, hier New York.

Foto: Volker Engel

Das Filmmuseum würdigt in seiner aktuellen Ausstellung „Fantastische Welten, perfekte Illusionen“ die visuellen Effekte im Film. Als einer der weltweit gefragtesten Filmtrickspezialisten gilt Volker Engel (53), der in Los Angeles lebt und arbeitet. Am Sonntag kommt er ins Filmmuseum. Wir sprachen mit ihm darüber, was einen „Visual Effects Supervisor“ auszeichnet und wie sich seine Arbeit im digitalen Zeitalter verändert hat.

Herr Engel, einen Filmtrickspezialisten stellt man sich gemeinhin als einen Nerd vor. Inwieweit trifft dieses Klischee zu?

Volker Engel: Ich denke, dass es bei mir persönlich wenig zutrifft, da ich seit über 20 Jahren die Schnittstelle zwischen Regisseur und den den Künstlern für die visuellen Effekte bin. Ich selbst baue keine Modelle und arbeite auch nicht am Computer. Es ist für mich eine Teamarbeit mit hunderten von Künstlern und Technikern. Ich sehe mich viel mehr als einen kreativen Abteilungsleiter, der mit seinem Wissen die Vision des Regisseurs umsetzt. Dafür muss ich wissen, mit welchen Mitteln man Details der Geschichte, die ja im Drehbuch festgehalten sind, umsetzen kann – und das natürlich ohne das Budget zu überschreiten. Deshalb habe ich auch immer einen ‚Produzentenhut‘ auf und war in den letzten zehn Jahren auch Mitproduzent bei den Filmen. Das Budget für die visuellen Effekte kann ein Drittel des Gesamtbudgets des Films betragen, liegt also bei grossen Filmen oft bei über 50 Millionen Dollar. Bei der grossen Verantwortung darf man kein Nerd sein (lacht).

Es heißt, dass Sie in Ihrer Kindheit statt Fußball zu spielen lieber Filme gedreht haben. Hat Sie die Verwandlung von Illusion in Wirklichkeit immer schon stärker gereizt als die bloße Wirklichkeit?

Engel: Ich habe den Film schon in frühester Kindheit als ein Fenster in eine andere Wirklichkeit gesehen. Das hat schon in den frühen Siebzigern mit Disney-Filmen angefangen. Ich war damals auch ein großer Lego-Fan, habe aber nicht nur gebaut, sondern mittels meiner Bauten auch Geschichten erzählt; die wollte ich später auch gerne einem größeren Publikum präsentieren. Der Trickfilm mittels Super 8-Kamera und später der Filmtrick waren also eine logische Weiterentwicklung als technisches Hilfsmittel zum Geschichtenerzählen. In der Kindheit war mir beim Fußballspielen das Spielfeld sowieso zu brutal, aber ich war damals schon eher ein Stratege, insofern kein schlechter Torwart.

In seiner aktuellen Ausstellung widmet sich das Düsseldorfer Filmmuseum den visuellen Effekten im Film. Unter den Exponaten befindet sich auch das Original-Modell des Alien Fighters, das Volker Engel für die Luftkampfszenen in „Independence Day“ animiert hat.

In seiner aktuellen Ausstellung widmet sich das Düsseldorfer Filmmuseum den visuellen Effekten im Film. Unter den Exponaten befindet sich auch das Original-Modell des Alien Fighters, das Volker Engel für die Luftkampfszenen in „Independence Day“ animiert hat.

Foto: Volker Engel

Sie sind mit der „Star Wars-Trilogie“ und „2001 - Odyssee im Weltraum“ groß geworden, mit denen das moderne Effekt-Kino begann. Inwieweit haben Sie diese Filme beeinflusst?

Engel: Das war ein großer Einfluss. Für mich stand nach dem Kinobesuch vom ersten Star Wars-Film fest, dass ich das Kreieren dieser Welten beruflich machen wollte.

Sie arbeiten seit über 25 Jahren mit Roland Emmerich zusammen. Bereits 1990 erschufen Sie die visuellen Effekte für seinen Film „Moon 44“. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Emmerich?

Engel: Ich hatte gerade meine Grafik-Design Studium mit Schwerpunkt Trickfilm an der Kunstakademie in Stuttgart begonnen. Das war lange vor der Eröffnung der Filmakademie, in der es heute auch den Schwerpunkt „Visuelle Effekte“ gibt. In Stuttgart lernte ich den späteren Emmerich-Produktionsdesigner Oliver Scholl kennen, und der wies mich darauf hin, dass mein Studentenzimmer nur 200 Meter vom Büro von Roland Emmerichs Produktionsfirma entfernt lag. Einige Tage später saß ich also in Rolands Büro, er schaute sich die Ausbeute der letzten fünf Jahre meiner Super-8 Filmtricks an – mit Raumschiffmodellen, Mehrfachbelichtungen und Mondoberflächen – die ich vorsorglich auf Video hatte überspielen lassen. Danach hat er mich vom Fleck weg als Modellbauer für „Moon 44“ engagiert. Während der Produktion hat er mir immer mehr Aufgaben gegeben, und ich stieg dann zum Supervisor für die visuellen Effekte auf. Dafür nahm ich mir ein Urlaubsjahr an der Kunstakademie und hab danach dort noch meinen Abschluss als Diplom-Grafikdesigner gemacht.

Ein Film mit visuellen Effekten muss ja präzise vorbereitet werden. Was gehört da alles dazu?

Engel: In sehr enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur wird das Drehbuch analysiert und von mir das erste Budget erstellt. Dann beginnt parallel zu den Entwürfen die Animation der Vorvisualisierung („Previz“), bei der die wichtigsten Sequenzen in einer Art Video-Game-Qualität hergestellt werden – das sind die bewegten Entwürfe, mit denen dann die Visual Effects Firmen als Vorgabe arbeiten. Diese Phase dauert etwa drei bis fünf Monate. Ich überwache dann anschliessend den oft sehr aufwändigen Teil der visuellen Effekte bei den drei bis viermonatigen Dreharbeiten; dabei sitze ich direkt neben dem Regisseur, mit dem ich mich permanent abstimme. Danach beginnt parallel zum Filmschnitt die digitale Nachbearbeitung, bei der wir oft mit über einem Dutzend Firmen in aller Welt zusammenarbeiten. Ich bin also von der ersten bis zur letzten Minute bei der Entstehung des Films dabei; das sind im Regelfall 15 bis 18 Monate.

Für die Ausstellung im Filmmuseum haben Sie ein Original-Miniaturmodell des Raumschiffs Alien Fighter aus „Independence Day“ beigesteuert. Wie kamen Sie auf die Idee für die Form des Raumschiffs?

Engel: Das ist ein Entwurf von Patrick Tatopoulos, der für den Film die Raumschiffe und die Technologie der Ausserirdischen entworfen hat. Die Idee war eine Kreuzung aus einem Insekt und einem Rochen mit extra Rückenflosse zu entwerfen.

Wie genau haben Sie das Modell des Alien Fighters dann im Kampf gegen das außerirdische Terror-Regime in Szene gesetzt, dass es im Film so echt wirkt?

Engel: Wir haben 1995 mit einer Technologie gearbeitet, bei der ein motorisierter Kamerakran eingesetzt wird, dessen Bewegung mittels Computer vorprogrammiert wurde. Nicht das Modell bewegt sich, sondern die Kamera simuliert z.B. den Vorbeiflug des Fighters. Das Modell wird dabei vor einem blauen Hintergrund gefilmt, der später digital durch den endgültigen Hintergrund ersetzt wird, z.B. einen Abendhimmel. Die richtige Beleuchtung des Modells spielt dabei eine entscheidende Rolle, damit es später in den Hintergrund passt.

Volker Engel arbeitet bereits seit über 25 Jahren mit Roland Emmerich zusammen. Hier befindet er sich am Filmset von „Anonymus“.

Volker Engel arbeitet bereits seit über 25 Jahren mit Roland Emmerich zusammen. Hier befindet er sich am Filmset von „Anonymus“.

Foto: Volker Engel

In den 1990er Jahren lösten ja sogenannte computergenerierte Effekte nach und nach den Modellbau ab. Dennoch verwendeten Sie analoge Modelle. Warum?

Engel:Der Film entstand in einer Zeit als die Computeranimation zwar schon auf dem Vormarsch, aber immer noch sehr langsam und sehr teuer war. Wenn im Film eine ganze Schwadron von Fightern oder Düsenjets zu sehen ist, ist dies bereits Computeranimation. Wir haben für den ganzen Film mit bis zu vier Kamerateams rund 4000 Elemente mit Filmkameras gedreht, die dann digital eingelesen und auch im Computer kombiniert wurden. Nur etwa zehn Prozent wurden bereits komplett im Computer hergestellt.

Die Film-Produktionen werden ja immer aufwendiger. Wenn Sie heute mit Roland Emmerich arbeiten, wirken allein schon fast 20 Firmen mit, die auf visuelle Effekte spezialisiert sind. Wie funktioniert da die eine reibungslose Kommunikation?

Engel: Mein erfindungsreicher Business-Partner Marc Weigert hat schon vor vielen Jahren eine Projektmanagement-Software entwickelt, mittels der wir mit den Firmen kommunizieren und sie dann ihre neueste Versionen einzelner Effekt-Einstellungen zum Anschauen auf unsere Rechner laden. Unsere Firma ist dabei immer das ‚Hub‘, also die Schaltstelle. Wir machen auch regelmässig Videokonferenzen mit den Firmen, die sich in aller Welt befinden (z.B. Neuseeland, Deutschland oder Kanada). Dabei schauen wir uns auf einem Monitor die neuesten Versionen der Einstellungen an und auf einem weiteren können wir uns auch gegenseitig sehen. Das hilft enorm bei der Verständigung.

Sie haben 2016 mit Roland Emmerich „Independence 2: Wiederkehr“ gedreht, den Nachfolgefilm zu „Independence Day“ von 1996. Ein gigantisches Weltvernichtungsspektakel.Wie hat sich die Arbeit mit Filmtricks im digitalen Zeitalter verändert?

Engel: Es ist aufgrund von 1700 Effekt-Einstellungen im zweiten Teil (im Gegensatz zu 400 beim ersten Film) in erster Linie ein viel größerer logistischer Aufwand. Wir können jetzt zwar mittels neuester Technologien alle Ideen realisieren – sofern das Budget stimmt – aber leider gibt es im Gegensatz zur Arbeit mit den analogen Modellen nichts Haptisches mehr. Ich bin froh, dass ich bei all dieser Digitaltechnologie noch immer mit vielen interessanten Menschen zu tun habe, wie neben den vielen Mitarbeitern z.B. auch unserem Schauspieler Jeff Goldblum, mit dem ich mich im Laufe der Jahre angefreundet habe. Er ist ein großer Fan von visuellen Effekten.

Sie haben sich letztlich aber nicht nur auf das Visual Effects-Metier konzentriert, sondern eine eigene Produktionsfirma gegründet, zumal Trickfilmspezialisten in der Filmbranche auch mit Schattenseiten zu kämpfen haben. Wie sehen die aus?

Engel: Ja, wir konzentrieren uns mit unserer Firma „Uncharted Territory“ wieder verstärkt auf Eigenproduktionen. Wir bereiten gerade einen Film mit dem Titel „Ghost Knight“ (Geisterritter) vor, basierend auf einem Roman von Cornelia Funke. Die größte Schattenseite in meinem Beruf ist für mich, dass man sich damit arrangieren muss, immer ein Auftragsarbeiter zu sein – denn am Ende geht es darum, die Vision des Regisseurs zu verwirklichen. Ich hatte das große Glück, dass Rolands und meine Visionen meistens in die gleiche Richtung gingen, weshalb es auch größtenteils eine sehr angenehme, produktive Arbeit war. Aber man darf nicht vergessen, dass Film als eine kreative Diktatur des Regisseurs und nicht als eine Demokratie angelegt ist.

Die Ausstellung im Filmmuseum widmet sich exklusiv den visuellen Effekten im Film. Wird die Arbeit der Trickfilmspezialisten zu wenig gewürdigt?

Engel: Ja, das wird sie in der Tat. Natürlich gehen die Zuschauer ins Kino, um eine gute Geschichte erzählt zu bekommen, aber seit Jahrzehnten sind die visuellen Effekte ein weiterer „Star“ vieler Filme. Roland Emmerich hatte das übrigens früh erkannt. Schon beim ersten „Independence Day“ hat er mich, genauso wie die Schauspieler, auf die Werbe-Tour für den Film mitgenommen. Er wusste genau, dass die visuellen Effekte ein Hautdarsteller des Films waren.

Info: Das Filmmuseum zeigt am Sonntag ab 15.30 Uhr die beiden Emmerich-Filme „Anonymous“ und „Independence Day“, für die Volker Engel die visuellen Effekte kreiert hat. Danach spricht Volker Engel mit Museumsdirektor Bernd Desinger über seine Arbeit. Eine Eintrittskarte gilt für beide Vorstellungen.

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