Der Mythos vom Silbersee

Faszination Wilder Westen: Eine Ausstellung zeigt, was die Deutschen an Karl May, Winnetou und Co. begeistert.

Düsseldorf. Der Wilde Westen steht für Abenteuer, fremde Kulturen, weites Land. Unzählige Geschichten wurden darüber geschrieben, Bildbände und Filme produziert mit stolzen Wilden und mutigen Cowboys. Das Filmmuseum Düsseldorf zeigt in der Ausstellung „Der Schatz im Silbersee“ Dokumente um den Mythos des amerikanischen Westens in Deutschland. Warum gerade die Deutschen so fasziniert sind vom Amerikanischen Westen, erklärt Museumsleiter Bernd Desinger.

Herr Desinger, sind Sie Karl-May-Fan?

Bernd Desinger: Ja, aber ich bin ein noch größerer Fan vom Westen insgesamt. Er fasziniert mich genauso wie die meisten Deutschen. Man kann in besonderer Weise Dinge in den Wilden Westen hinein projizieren, die man zu Hause nicht findet.

Was begeistert gerade die Deutschen so am Wilden Westen?

Desinger: Was viele nicht wissen, ist, dass die Deutschen die größte Einwanderer-Gruppe in den USA waren. Vor allem Mitte des 19. Jahrhunderts, während des Goldrausches, gingen viele Deutsche in den Westen.

Was hofften sie, dort zu finden?

Desinger: Nach der gescheiterten Revolution flüchteten viele vor politischer Unterdrückung und Kleinstaaterei. Doch es gab auch triftige ökonomische Gründe. In vielen Gegenden Deutschlands erbte nur der älteste Sohn den Grund des Vaters, die anderen gingen leer aus, mussten sich auf dem Land als Knecht verdingen. In Amerika winkte hingegen eine eigene Ranch. Mit der aufkommenden Industrialisierung fanden auch viele Handwerker kein ausreichendes Auskommen mehr.

Welche Rolle spielten die Indianer in der Vorstellung vom Wilden Westen?

Desinger: Die Indianer waren stets ein Sinnbild für Freiheit und ein Leben in Ursprünglichkeit. In ihren zunehmend verrauchten Städten träumten die Deutschen von den edlen Wilden.

Der Indianer als edler Wilder: Das ist ein Bild, welches man eher aus deutschen Western kennt. Woran liegt das?

Desinger: Die Deutschen hatten ein ganz besonderes Verhältnis zu den Indianern. Erstaunlich viele deutsche Künstler porträtierten die Landschaft und die Menschen dort. Als Kinder ausgewandert, kamen manche nach Deutschland zurück, um an der Kunstakademie in Düsseldorf Landschaftsmalerei zu studieren. Zurück in Amerika, lieferten sie mit romantisierenden Darstellungen einen wichtigen Beitrag zur Entstehung des Mythos des Westens. Übrigens wurden Reproduktionen von Indianerporträts gerade in Deutschland in riesigen Auflagen verkauft, auch Karl May kannte sie. Auch in Filmen spiegelt sich die unterschiedliche Darstellung wider. Während in den US-Western regelmäßig der Mythos der Erschließung des Westens, der Landnahme, zelebriert wird, steht in den deutschen Western der aussichtslose Kampf der Indianer gegen die rücksichtlos vordringenden Siedler im Vordergrund.

Was machte gerade die Karl-May-Geschichten so populär?

Desinger: Karl May hat auf fruchtbarem Boden gestreut. Das Interesse für die Indianer gab es schon vorher, doch die Anteilnahme an ihrem Schicksal war ein großes Thema in seinen Büchern. Diese Verbindung ist tatsächlich gelebt worden. Die deutschen Auswanderer hatten ein ganz besonderes Verhältnis zu den Indianern.

Wie sah dieses aus?

Desinger: Viele haben sich vor Ort für ihre Belange eingesetzt, fungierten als Vermittler oder waren Indianer-Agenten in den Reservaten. Carl Schurz, ein Rheinländer, wurde in den USA sogar „Minister of the Interior“ und war einer der ersten, der die Indianer zur sozialen Herausforderung erklärt hat.

Die „Winnetou“-Filme der 60er Jahre ragen als Erfolge in Deutschland heraus, dabei wurde im ehemaligen Jugoslawien gedreht. Sie kennen die Landschaft in den USA. Befremdet Sie das?

Desinger: Es sieht schon ziemlich anders aus im echten Wilden Westen. Als Kind war ich natürlich von der Landschaft im Film begeistert. Als ich später in Los Angeles lebte und die Winnetou-Filme noch einmal sah, dachte ich: Mein Gott, die Amerikaner müssen sich doch kringelig lachen, wenn sie das sehen. Dem war aber gar nicht so.

Liefen die Filme denn auch in den US-Kino?

Desinger: Die Filme wurden auch dort im Kino gezeigt und recht wohlwollend aufgenommen. „Der Schatz im Silbersee“ wurde in CinemaScope gedreht, mit großartigen Panorama-Aufnahmen und einem unglaublich blauen Himmel, das hat die Zuschauer fasziniert. Hinzu kam die tolle Filmmusik, wie eine Pferdeoper, es war einfach ein Gesamtkunstwerk.

Welcher ist Ihr Lieblings-Western?

Desinger: Es gibt mehrere, die mich faszinieren: Bei den Italo-Western ist es „Spiel mir das Lied vom Tod“, bei den deutschen Filmen ganz klar „Der Schatz im Silbersee“. Unter den amerikanischen Klassikern mag ich besonders „High Noon“ und „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“.

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