Düsseldorf Der einsame Dandy kann auch anders

Bryan Ferry begeisterte am Donnerstag das Publikum in der Halle an der Siegburger Straße sowohl mit gefühlvollen, als auch düsteren Songs.

Düsseldorf: Der einsame Dandy kann auch anders
Foto: dpa/Georgios Kefalas

Düsseldorf. Es gibt nicht wenige, die bis heute nicht verstehen, wie dieser Mann zum Weltstar werden konnte. Und manch einer wünscht ihm vielleicht sogar die Pest an den Hals — immerhin hatte Bryan Ferry zuerst mit seiner Band Roxy Music und später solo Musikrichtungen wie Art Rock und New Romatic begründet.

Art Rock war das, was alle anderen in den 70ern am liebsten mit dem Knüppel des Punk zerschlagen wollten. New Romantic trägt bis heute die Schuld daran, dass die Menschen im Rückblick über die 80er gerne vom musikalisch verlorenen Jahrzehnt der Keyboard-Teppiche und des Schmalzpops sprechen. Motto: „Ich liebe dich so sehr, dass es mich verzehrt, also lass’ uns bis in alle Ewigkeit tanzen.“

Insofern ist jedes Konzert für Bryan Ferry die Gelegenheit, nicht nur den aalglatten und schmachtenden Nostalgie-Beschwörer zu spielen, sondern zu zeigen: Ich kann auch anders. Und das kann er wirklich. Bryan Ferry, vor knapp 3000 Zuschauern in der bestuhlten Halle an der Siegburger Straße, ist in vielen der 80 Konzertminuten ein kleines Ereignis.

Natürlich vergisst er für die, die ihn damals schon vergötterten und die sich zu Hits wie „Jealous guy“, „Slave to love“ oder „Beauty Queen“ Hals über Kopf in ihr Gegenüber auf der Kuschelparty verknallten, nicht den Crooner und den Romancier: Mit dem typischen Ferry-Blick — halb geschlossene Augen — und der typischen Ferry-Geste — langsames, schwankendes Tanzen, während die Haartolle immer weiter die Stirn runterrutscht und ihm ein wenig Verwegenheit verleiht — gleitet er durch diese Songs.

Und nach anfänglichen Problemen hat er auch schnell seine butterweiche, warme, Hoch wie Tief abdeckende Stimme parat, die diesen Soundtrack der Lust und Leidenschaft hinausstreichelt ins Dämmerlicht der Halle.

Ferry wird bald 70. Aber auf der Bühne war er schon immer dieser unendlich erfahrene und bewundernswert reife Mann, der den Damen vor sich die Welt zu Füßen legt. Und der hinter seinem Rücken den Herren mit einem Augenzwinkern und frechen Grinsen zeigt, wie sie die Herzen ihrer Herzdamen am schnellsten gewinnen.

Aber dann gibt es da auch düstere und beinahe beklemmend melancholische Songs wie „Zamba“, in denen Ferry plötzlich einem Leonard Cohen oder Nick Cave näher ist als allen Liebesschnulzenbarden dieser Welt. Oder diese Cover-Version von Bob Dylans großartigem Liebes-Abgesang „Don’t think twice“, die Ferry nicht knarzig und der verlassenen Frau gegenüber vollkommen desinteressiert rüberbringt wie Master Bob, sondern die er als wahres Beziehungsdrama singt, dem man die Verzweiflung über das Scheitern der Zwischenmenschlichkeit in jedem Ton, jeder Silbe anhört. Solche starken Momente lassen sogar den weniger starken Moment vergessen, in dem zum Song „Midnight Train“ tatsächlich eine rotierende, glitzernde Discokugel von der Hallendecke schwebt. Sei’s drum: Der Schmalz, er braucht wohl seinen Platz. Und ist am Ende sowieso vergessen.

Als die ersten Takte von „Do the strand“ erklingen und den poprockigen Teil des Abends einleiten, brechen alle Dämme der Contenance im Angesichts dieses von zehn wie verrückt groovenden Musikern unterstützten Gentleman: Die Zuschauer verlassen als Schwarm wie auf Kommando ihre Sitzreihen und stürmen vor die Bühne. „A danceable solution to teenage revolution“, singt Mister Ferry dazu. Soll heißen: So ein kleiner Aufstand muss auch bei ihm sein. Nur: Weil hier keiner mehr jung ist, wird eben nicht zerstört, sondern getanzt.

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