Premiere Darf man bei Kafkas Schloss eigentlich lachen?

Düsseldorf · Die Premiere von „Das Schloss“ unter der Regie von Jan Philipp Gloger im Central rückt auch die sarkastische Ebene des Romans in den Vordergrund.

Florian Lange und Moritz Führmann vor den die Inszenierung ästhetisch dominierenden Bretterwänden.

Florian Lange und Moritz Führmann vor den die Inszenierung ästhetisch dominierenden Bretterwänden.

Foto: Thomas Rabsch

„Er war früher Teil einer monumentalen Gruppe“, setzt Moritz Führmann zu Beginn von „Das Schloss“ in der Regie von Jan Philipp Gloger an. Aus dem Off spricht der Darsteller, der in der Adaption von Franz Kafkas Roman am Schauspielhaus Düsseldorf die Rolle des „Landvermessers K.“ verkörpert. Diese Worte, die hier dem Auftakt von Kafkas Roman vorangestellt sind, entstammen seinen sogenannten „Er-Aphorismen“ aus 1920. Doch wird diese kurze Textpassage nicht in Gänze wiedergegeben, den beachtenswerten Schluss inklusive dem vorletzten Satz „Wohl gerade durch dieses Vergessen ergibt sich eine gewisse Traurigkeit, Unsicherheit, Unruhe, ein gewisses die Gegenwart trübendes Verlangen nach den vergangenen Zeiten“, verwehrt man dem Publikum. Wieso man just diesen Aphorismus der Geschichte voranstellt, bleibt, wie auch andere Entscheidungen, enigmatisch. So fehlt beispielsweise etwa die für die Einordnung des K. so essentielle Passage „Wenn man, wie ich, so weit von Frau und Kind reist, dann will man auch etwas heimbringen“.

Es gehört zur Natur der Sache, dass Dramatisierungen von Erzählungen – das Umsetzen von Romanen in Schauspiel – die Vorlage dramaturgisch (Dramaturgie Felicitas Zürcher) verdichten müssen. Insbesondere, wenn es sich um ein fragmentarisches Werk handelt, wie „Das Schloss“. In unserem Fall jedoch gehen Aspekte von Kafkas Stoff verloren, die beim Lesen des Romans maßgeblich zur Stimmung gehören, die Kafkas immer verworrener werdende Geschichte evoziert. So etwa streicht man jeden Hinweis auf den „tiefen Schnee“, in den Kafka den Auftakt seines Romans setzt. Ohnehin versetzt die Inszenierung die Geschichte in einen vollkommen abstrakten Raum, ohne jegliche äußeren Bezüge, die sich vielleicht doch bei dem Sujet anbieten würden. So indifferent die Kostüme von Anne Buffetrille, so abstrakt hält sich das Bühnenbild: in verschiebbaren, etagenhohen, durch unterschiedlich gestaltete horizontale Bretter vernagelten Winkeln. Diese bilden mit der Drehbühne im weiteren Verlauf der Szenerie eine schwindelerregende Kulisse für das bisweilen humoristisch aufgeladene Spiel. Das ist überzeugend. Werden sie auch in die Handlung einbezogen, hätte man sie vielleicht noch sprechender als Symbol für den versperrten Weg in das Schloss nutzen können.

Der sich anfangs aus Übermut und Unverständnis herausschälende Humor wird zum Galgenhumor, erhält durch die überzeichnende Musik Kostia Rapoports noch mehr Futter. So etwa werden die auf den Brettern einzelner Wände lesbaren Briefe, die K. erhält, mit großer Geste präsentiert. Untermalt von Musik, die jegliche Übertreibung nicht scheut. Darf man bei Kafkas Schloss lachen? Die Lacher im Publikum beweisen: Ja. Und wieso auch nicht? Ist doch Kafkas Text gespickt mit sonderbaren Momenten, mit unterschwelliger Komik. Die Skurrilitäten gewinnen aber in dieser Umsetzung gegenüber der andererseits so mächtigen erdrückenden Psychologie oft an Präsenz.

Aber die Inszenierung, die nun im Central Premiere feierte, lebt in erster Linie von dem kecken Spiel der Besetzung: Tabea Bettin als Frieda, Claudia Hübbecker als Wirtin, Thomas Wittmann als Vorsteher, der Lehrer Florian Lange und Cennet Rüya Voß als Pepi. Bei Bedarf schlüpfen sie auch in andere Rollen, so etwa als Barnabas (Jonas Friedrich Leonhardi) Familie. Die Gehilfen, verkörpert von Nils Kretschmer, David Vormweg, sind indes vornehmlich in Slapstick-Manier angelegt.

Die Dialoge, die in Kafkas Vorlage zunehmend zu losgelösten Schlaglichtern werden, gelingen packend. Erhalten durch übersteigertes Spiel bisweilen einen etwas überdrehten Duktus. Dies ist aber so gewollt und zieht sich durch die Gesamte Konzeption, in der szenischer Minimalismus auf immer wieder aufkeimenden Sarkasmus trifft. Wenngleich es auch anrührende Momente gibt, wie etwa K.s Besuch bei den Barnabas oder das bildgewaltige Finale, das bewusst das Fragmentarische durchscheinen lässt.

Kommende Aufführungen: 17.  und 26. September sowie 4. Oktober, jeweils 19.30 Uhr im Central an der Worringer Straße 140.

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