Aphorismus in Düsseldorf : Düsseldorf ist nun auch Stadt des Aphorismus
Düsseldorf Aphorismen sind kluge Gedanken in wenigen Sätzen. Jetzt ist das Deutsche Aphorismus-Archiv in die hiesige Uni- und Landesbibliothek gezogen.
„Die Menschen kommen und gehen – bloß nicht zur Vernunft.“ So lautet ein Aphorismus des Düsseldorfer Schriftstellers Jürgen Wilbert, zu finden in seinem neuen Buch „SinnBilder“ (siehe die Besprechung unten). Die Reaktion als Leser: „Die Menschen kommen und gehen“ – aha, eine Redensart, der man zustimmen kann. Dann folgt die Pointe. Erst stutzt man ein bisschen, braucht ein paar Sekunden, um den Witz zu verstehen und schmunzelt dann. Wer sich Aphorismen zu Gemüte führt, der wird in den Gedankengang des Autors hineingezogen, und muss dann selbst hinausfinden. Oder wie Jürgen Wilbert es formuliert: „Ein Aphorismus kommt daher wie ein Bonbon, das man leicht lutschen kann. Aber wenn man es im Mund hat, bereitet es Schluckbeschwerden.“
Der 74-jährige Wilbert hat sich schon als Schüler der kleinsten literarischen Prosa-Gattung verschrieben. Inspiriert hat ihn der polnische Dichter und Aphoristiker Stanisław Jerzy Lec (1909-1966), von dem er seinerzeit ein Büchlein in die Hände bekam. „Da habe ich gedacht: Wie großartig, dass man mit so wenig Worten so viel sagen kann. Und warum quäle ich mich in der Schule mit dicken Dramen und am Ende kommt dann ohnehin nur eine eine Quintessenz herraus. Und der Lec benennt schon die Quintessenz. Es ist doch viel praktischer, dass man sich gleich damit beschäftigt“, sagt Wilbert.
Eigentlich müsste der Aphorismus mit seinen wenigen Sätzen die ideale Gattung unserer Zeit sein, in der Kurznachrichten dominieren und die Menschen mit acht Sekunden inzwischen sogar eine geringere Aufmerksamkeitsspanne als ein Goldfisch haben sollen. Trotzdem schreibt Jürgen Wilbert: „Aphorismen kommen eigentlich immer zu kurz.“ Damit verweist er auf das Schattendasein, das die Mini-Texte im offiziellen Literaturbetrieb führen. Warum ist das so? „Der Aphorismus ist eine unbequeme Gattung, er ist fragmentarisch, unvollendet. Im Roman oder Krimi werden Sie als Leser an die Hand genommen, durch die Geschichte geleitet. Das macht der Aphorismus nicht. Da müssen Sie den Gedanken des Autors erst einmal entflechten. Das stört viele“, erklärt Wilbert.