Düsseldorf Christof Seeger-Zurmühlen: „Wir Künstler müssen in die Graubereiche“

Im blühenden Garten Eden zieht Christof Seeger-Zurmühlen Bilanz. Zwei Jahre leitete er das Junge Schauspielhaus Münsterstraße.

Düsseldorf: Christof Seeger-Zurmühlen: „Wir Künstler müssen in die Graubereiche“
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Kartoffeln, Kürbis und Kapuzinerkresse — okay, das hat fast jeder Garten zu bieten. In den aus Paletten gezimmerten Hochbeeten strecken vor dem Jungen Schauspielhaus an der Münsterstraße Artischocken ihre Knospen gen Himmel. Walderdbeeren reizen rot und reif zum Pflücken, und für die Gäste des Abends ist der Rasenteppich ausgerollt. Das Kinder- und Jugendtheater hat am Donnerstagdas Ende der Spielzeit gefeiert und die Gäste vor dem Theater in seinem Garten Eden begrüßt — einem Projekt von und mit Flüchtlingen, das über zwei Jahre hinweg Pflanzen, Freundschaften und ein Theaterstück hervorgebracht hat.

Düsseldorf: Christof Seeger-Zurmühlen: „Wir Künstler müssen in die Graubereiche“
Foto: Sebastian Hoppe

Drinnen gab es am Donnerstag zum letzten Mal „Es bringen“ zu sehen — die gelungene Uraufführung über den 16-jährigen Luis, der um seinen Platz in der Welt ringt. Die Inszenierung wurde jüngst mit dem Jugendstückepreis des Heidelberger Stückemarktes ausgezeichnet. Ein künstlerischer Erfolg für Christof Seeger-Zurmühlen, der in den vergangenen zwei Jahren das Programm am Theater in Rath bestimmt hat. Keine leichte Aufgabe, das Schauspielhaus befand sich 2014 nach Intendanten-Wechseln in einer Krise. Sechs Wochen blieben dem Schauspieler und Regisseur, um einen Plan zu erarbeiten. „Wir haben zwei wichtige Entscheidungen getroffen: Wir spielen mit eigenem Ensemble und bieten neben den Vorstellungen vormittags für Schüler auch abends Theater für alle an.“

Das Ergebnis gibt ihm recht: Die Zahlen stiegen 2014/2015 um 38 Prozent auf 64 000 Besucher. „In diesem Jahr ist die Saison vier Wochen kürzer, und wir konnten das Familienstück Pinocchio im Central ab Januar nicht mehr spielen“, erklärt Seeger-Zurmühlen die rund 56 000 Zuschauer 2015/2016. Die Auslastung benennt er mit 85 Prozent. Allein 25 000 kamen, um sich „Tschick“ anzusehen. Mit 84 Vorstellungen ist die Geschichte nach dem Roman von Wolfgang Herrndorf am häufigsten über die Rather Bühne gegangen.

Auch wenn sich das Bild der Ernte im üppig gedeihenden Garten aufdrängt, es gefällt dem umtriebigen Theaterleiter nicht: „Wir machen hier keinen Schlussstrich, fahren nichts ein. Was wir erarbeitet haben, soll weiterwachsen und sich vervielfältigen.“ Die Leitung am Jungen Schauspielhaus gibt er ab der kommenden Spielzeit an seinen Vorvorgänger Stefan Fischer-Fels ab — der kommt aus Berlin vom Grips-Theater zurück nach Düsseldorf. Seeger-Zurmühlen leitet dann die neue Bürgerbühne, eine dritte Sparte, die der neue Generalintendant Wilfried Schulz an allen Spielstätten des Schauspielhauses und an speziellen Orten in der Stadt etablieren will. Dafür ist Christof Seeger-Zurmühlen der Mann im Intendanten-Team, der die Stadt, ihre Menschen und die bewegenden Themen am besten kennt.

Von schwierigen Situationen lässt sich der 1975 geborene Künstler nicht schrecken und doch wünscht er sich — auch an diesem Abend des Feierns — mehr Unterstützung von Politik und Verwaltung. „Wir müssen uns mit der Kunst in die Graubereiche bewegen. Und dafür brauchen wir Verbündete.“ Wenn einerseits kulturelle Belebung der Räume gefordert werde, müsse man leerstehende Gebäude auch freigeben und Kunstprojekte genehmigen. So dass sie Früchte tragen können wie der Garten Eden. Normale und außergewöhnliche. Ab September treffen sich im Café Eden montags von 15 bis 21 Uhr draußen und drinnen Flüchtlinge und Bürger — zum Diskutieren, Ausprobieren und Spielen.

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