Kunst Zwischen Aufbruch und Apokalypse

Düsseldorf · Cao Fei gilt als die wichtigste Medienkünstlerin in China. In ihren Werken setzt sie sich mit dem Hochgeschwindkeitsurbanismus, aber auch mit neuesten Technologien auseinander. Das K 21 ehrt sie mit der größten Schau in ihrer Karriere.

Die Künstlerin Cao Fei schuf ein Kunstprojekt mit Mitarbeitern einer chinesischen Osram-Fabrik.Sie tanzten durch die Lagerhalle oder schufen Skulpturen aus Leuchtstoffröhren.  Foto: Kunstsammlung NRW

Die Künstlerin Cao Fei schuf ein Kunstprojekt mit Mitarbeitern einer chinesischen Osram-Fabrik.Sie tanzten durch die Lagerhalle oder schufen Skulpturen aus Leuchtstoffröhren. Foto: Kunstsammlung NRW

Foto: Kunstsammlung NRW

Die chinesische Künstlerin Cao Fei gilt als die wichtigste Medienkünstlerin Chinas. Künstlerische Anerkennung fand sie bislang vor allem im Westen. So nahm sie an Biennalen teil oder designte ein BMW Art Car. Nun geht ihre Erfolgsgeschichte außerhalb von China weiter.Das K 21 präsentiert die größte Einzelschau in der Karriere der 40-Jährigen: rund 50 Werke, darunter Videos, multimediale Installationen, Fotos und Zeichnungen.

Cao Fei beschäftigt sich in ihren Werken mit den massiven gesellschaftlichen und technischen Umbrüchen in ihrem Heimatland: das Baufieber in den Mega-Metropolen, in denen permanent neue Hochhaussiedlungen und Autoschnellstraßen entstehen und alte Stadtteile abgerissen werden. Die Künstlerin hat den Bauboom im Riesenreich hautnah mitbekommen. Sie ist 1978 in Guangzhou aufgewachsen, im Perlflussdelta unweit von Hongkong, wo viele Städte rasch und immens gewachsen sind. Ausgerechnet im Geburtsjahr von Cao Fei leitete Deng Xiaoping, der Nachfolger von Mao, die Modernisierung Chinas ein. Unter seiner Regie entwickelte sich das Land zur Weltmacht. Aber auch technische Entwicklungen macht sich Cao Fei zu eigen: Sei es die Ära der Jugend- und Popkultur mit ihren schnell geschnittenen Musikvideoclips in den 1990er Jahren, sei es der Internet-Hype, virtuelle Plattformen wie „Second Life“ oder Augmented Reality, also die erweiterte Realität.

Auf einer Großleinwand flackert etwa der Film „RMB City“. Es handelt sich dabei um eine fiktive Stadt, die Cao Fei auf der virtuellen Plattform „Social Life“ drei Jahre lang (2006-2009) geschaffen hat. Bunt leuchtende Hochhaussiedlungen, Swimmingpools auf antiken Säulen, rauchende Raffinerieschlote oder schwebende Flüsse. Eine futuristische, utopische Stadt, die Cao Fei mit ihrem Avatar namens China Tracy besuchte und dort auch laufend interaktive Kunstprojekte initiierte. Ein Experiment, mit dem die chinesische Künstlerin die Grenzen zwischen der realen und virtuellen Existenz auslotete. Heute benutzt kaum noch jemand „Second Life“. Somit hat „RMB City“, das nach der chinesischen Währung benannt ist, heute einen archäologischen Charakter: Das Projekt erinnert an eine vergessene technische Innovation. Aber Cao Fei ist gerne die Erste, die neue Techniken ausprobiert. Ihre Arbeiten seien Dokumente des Jetzt, die dann von einer beschleunigten Gegenwart überholt würden. Dies sei aber nicht schlimm, denn wichtig sei es, dass einmal Menschen da waren, die mit der neuen Technologie interagiert hätten, sagte die Künstlerin einmal. Auch Fotos von „RMB City“ zeugen von der einstigen Parallelwelt in „Social Life“.

Cao Fei kreiert aber auch Teilnahme-Kunstwerke. So das Projekt „Utopia Factory“, das 2006 in der damals noch zu Siemens gehörenden Osram Lichtfabrik im südchinesischen Foshan entstand. Es ist einerseits sozialkritisch, wenn sie im Film die monotone Maloche in der Fabrik zeigt oder Fotos von engen Wohnzellen der Arbeiter präsentiert. Andererseits setzt Cao Fei auch Zeichen der Hoffnung: Sie organisierte für Fabrikarbeiter Kunst-Workshops. So sieht man im Film eine Mitarbeiterin im Kleidchen durch die Lagerhalle tanzen. Die Arbeiter agierten aber auch als Bildhauer. Sie schufen etwa Raketen-Skulpturen aus Leuchtstoff-Röhren.

Das faszinierendste Kunstprojekt der Ausstellung ist „La Town“: ein Film erzählt von einer Miniatur-Stadt, die von einer Katastrophe heimgesucht wurde. Gedreht in einer von Cao Fei bearbeiteten Eisenbahnmodelllandschaft. Eingestürzte Brücken, verunglückte Züge, Autofriedhöfe, Häuserruinen und blutüberströmte Menschen. Ständig steigt Rauch auf. Unheimliche Klänge ertönen. Der Film erzählt, wie ein Alltag in der Postapokalypse möglich ist, aber nur als Modell. Etwa von einem kopulierenden Liebespaar in einer Privatwohnung. Ein melancholischer Abgesang auf eine geschwindigkeitsversessene Welt. Auch Fotos und Vitrinen mit Modellen von „La Town“ hat Cao Fei angefertigt. Die Schau eröffnet am Freitag, 19 Uhr, und dauert bis zum13. Januar 2019.

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