Buhs für „Tannhäuser“: Wenn Nazi-Vergleiche hinken

Regisseur Burkhard C. Kosminski scheitert in Düsseldorf an Richard Wagners Oper „Tannhäuser“.

Düsseldorf. Vergleiche mit dem Nationalsozialismus sind immer heikel, doch Regisseure greifen gerne mal auf die Fratze des Dritten Reiches zurück, wenn sie der sündigen Welt ein Gesicht verleihen wollen. Dergleichen geht selten gut. Auch Schauspielregisseur Burkhard C. Kosminski, der sein Operndebüt mit Richard Wagners „Tannhäuser“ an der Deutschen Oper am Rhein beging, scheitert mit diesem Unterfangen. Kosminski wählt als Sündenfall nichts Geringeres als den Holocaust. Und das Publikum äußerte geräuschvoll seinen Unmut: Ein Buh-Orkan tobte schon nach der mit Vergasungs- und Erschießungs-Szenen illustrierten Ouvertüre.

In einer einzigen Hinsicht ist Kosminskis Ansatz immerhin begründbar: Der von Wagner als Lusthölle entworfene Venusberg erscheint aus heutiger Sicht womöglich zu harmlos, um das Entsetzen der Gesellschaft über Tannhäuers Aufenthalt an jenem Ort nachvollziehbar zu machen. Darum greift Kosminski also zur verwerflichsten Vergangenheit, die jemand in unserer bundesrepublikanischen Zeit, in die das Stück später angesiedelt wird, haben kann: die des Naziverbrechers. Doch leider passt das nicht zum „Tannhäuser“.

Denn Wagner wählte ja gerade eine verzeihliche Sünde, um die heftigen Reaktionen darauf als Zeichen einer in Tugendgebärde erstarrten Gesellschaft zu deuten. Wenn dem Helden des Stücks ganz zum Schluss Absolution erteilt wird, kommt Kosminski nicht umhin, eine visuelle Umdeutung gewissermaßen mit dem Brecheisen vorzunehmen: Er lässt die jungen Pilger, die den grünenden Priesterstab des Papstes als Zeichen der Vergebung überbringen als martialisch Uniformierte, nicht als vom Papst Gesandte, auftreten.

Tannhäuser kehrt in die Welt der Grausamkeit zurück, die Geschichte könnte sich wiederholen. Der berühmte jüdische Opern-Dramaturg, Wagner-Experte und Buchautor Marcel Prawy (1911-2003) hat einmal in einem ähnlich gelagerten Fall gesagt, er sehe darin keine Schändung von Wagner, sondern eine Schändung des Opfer-Andenkens.

Kosminskis Personenregie treibt unteressen weitere Blüten: Die keusch, religiös und emotional ambivalent angelegte Figur der Elisabeth (stimmlich leuchtend: Elisabet Strid) agiert einfältig wie ein Mädel, das lieber den flotten Tannhäuser heiraten will als einen öden thüringischen Tugendbold.

Und Wolfram von Eschenbach ist hier nicht der edle Sänger, der sich in Verzicht übt, sondern Vergewaltiger Elisabeths. Musikalisch ist die Aufführung ein spannendes Ereignis: Tenor Daniel Frank singt den Tannhäuser mit schlankem, aber strahlendem Ton, Bariton Markus Eiche bringt stimmlich alles mit, um einen sehr nobler Wolfram darstellen zu können. Exzellent besetzt sind auch die weiteren Rollen, etwa Venus mit Elena Zhidkova oder der Landgraf mit Thorsten Grümbel.

Generalmusikdirektor Axel Kober und die Düsseldorfer Symphoniker lassen ein agiles, mitreißendes Orchesterspiel aus dem Graben dringen. Gerade angesichts der hochkarätigen musikalischen Umsetzung erweist es sich als Großschaden, dass der „Tannhäuser“ szenisch vor die Wand gefahren wurde. Intendant Christoph Meyer hat es versäumt, bei Besichtigung der Proben rechtzeitig die Reißleine zu ziehen.

Wertung:
Inszenierung: 0 von 5 Punkten
Sänger: 4 von 5 Punkten
Orchester: 4 von 5 Punkten

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