Düsseldorf Festival Brahms im freien Flug

Düsseldorf · Das Stegreif Orchester gastierte mit „FreeBrahms“ beim Düsseldorf Festival.

Das Stegreif Orchester löst manche konzertante Tradition auf — zum Beispiel die, dass die Musiker stets sitzen. Foto: Susanne Diesner

Das Stegreif Orchester löst manche konzertante Tradition auf — zum Beispiel die, dass die Musiker stets sitzen. Foto: Susanne Diesner

Foto: ja/Susanne Diesner

Und plötzlich schwebt die dritte Symphonie von Johannes Brahms durch die Alte Kämmerei. Aus musikalischem Nichts. Aus einem meditativ anmutenden E-Gitarren-Ton, der doch derart sanft einen Klangraum eröffnet, steigen die prägnanten ersten Akkorde des ersten Satzes empor, gesungen von den Musikern des Stegreif Orchesters. Dann setzt die Geige ein, plötzlich öffnet sich ein Klang, vertraut und doch so anders, und alle Instrumentalisten – ein durchaus stattliches Kammerorchester mit 30 Musikern – stimmen mit ein.

Der Raum ist effektvoll beleuchtet – das Licht wird sich immer wieder ändern, genauso wie die Position der Musiker und schließlich auch das, was musikalisch mit dem Werk von Brahms gemacht wird. Sie spielen ohne Noten, gehen durch den Raum, gruppieren sich – dies allein ist schon reizvoll, frisch, interessant. Doch das, was das Konzert – wenn man es überhaupt so nennen möchte, es ist eher eine Performance – so einzigartig, ja postmodern im besten Sinne macht, ist die Freiheit, mit der sich die Musiker der Musik von Brahms nähern. „FreeBrahms“ heißt ihr Programm, das sie nun im Rahmen des Düsseldorf Festival präsentierten.

Ein freier Brahms also. Frei im Sinne einer Durchmischung mit freien musikalischen Ideen und Assoziationen, die aus Brahms Musik entsprossen scheinen, aber auch frei, weil von jeder Konvention losgelöst. Das ist weder besser noch schlechter als ein traditionelles „klassisches“ Konzert, es ist anders und das ist wirklich gut so. Bei dem Konzept gehört zum integralen Bestandteil der ästhetischen Zielrichtung, dass man stilistische Grenzen bewusst ignoriert, zeitgleich aber weniger den Bruch sucht, sondern ein organisches Ineinanderfließen.

Da darf eben eine E-Gitarre genauso mit von der Partie sein wie ein Schlagzeug, das sich mal zurückhält und nur sporadisch akzentuiert oder auch frei waltend Jazz in den Brahms mischt. Ohnehin spielt Jazz eine Schlüssel-Rolle. Jazz ist hier weiter gefasst, bis hin zur Weltmusik. Diese Momente wirken gleichsam als Kommentar zu den dekonstruierten Passagen aus allen vier Sätzen der Brahms-Symphonie. Diese Passagen wirken hin und wieder fast als Beiwerk zu den das Künstler-Individuum betonenden, solistischen Improvisationen. Doch Brahms verträgt das, zeigt sich die Musik des großen Meisters doch gerade im Kontext der Klangflächen und bisweilen mit viel Witz gewürzten Klangexperimente als ein immer wieder hervorscheinender Glanzpunkt.

In Koproduktion von Podium Esslingen war es der erste Auftritt des Stegreif Orchesters in Nordrhein-Westfalen. Für die Choreografie zeichnete Ela Baumann verantwortlich, die sogenannte Abendspielleitung hatte Viola Schmitzer inne. Alistair Duncan wird als Co-Komponist genannt und hat somit die sphärischen Klänge zu verantworten, in die Brahms eingebettet wurde. Das Orchester wurde 2016 gegründet und wird künstlerisch geleitet von Juri de Marco.

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