Bildhauer und Professor Gereon Krebber „Als Künstler geht es darum, frei zu sein“

Interview | Düsseldorf · Von ihrem Werk können nur wenige Künstler leben. Die Akademie hat in diesem Jahrgang dennoch nur vier Lehramtsstudenten. Bildhauer und Professor Gereon Krebber spricht mit uns über die Situation des Kunst-Nachwuchses.

 Gereon Krebber ist Bildhauer und Professor an der Kunstakademie.

Gereon Krebber ist Bildhauer und Professor an der Kunstakademie.

Foto: Manfred Förster

Die Zahl der Künstler steigt, aber ihr Verdienst hat kaum angezogen. Der diesjährige Jahrgang der Kunst­akademie hat nur noch vier Studierende für das Künstlerische Lehramt. Die Akademie ist die einzige Lehranstalt in Düsseldorf, die Kunstlehrer ausbildet.

Drei Fragen: Gibt es kein Bewusstsein mehr für das Risiko, freier Künstler zu sein? Wird der Ratschlag nicht befolgt, zunächst Kunsterzieher zu werden, um eine Basis zu haben? Ist die Ausbildung für Kunsterzieher nicht gut genug?

Gereon Krebber: Im Gegenteil, sie ist ideal. Man hat eine Eins-zu-Eins-Betreuung. Viele Professoren kümmern sich um wenige Studierende. Aber die Akademie wird allein als Künstlerschmiede wahrgenommen. Darin sind wir wirklich sehr gut; das ist natürlich ein tolles Image. Aber es hat zur Folge, dass unsere KL-Ausbildung (Künstlerische Lehre, d. Red.) zu wenig wahrgenommen wird. Das ist mir am eigenen Küchentisch widerfahren: Die Patentochter meiner Frau kam uns besuchen, weil sie sich für das künstlerische Lehramt bewerben wollte. Aber sie schaute sich in Köln um, weil ihr Düsseldorf nicht einmal in den Sinn kam.

Piene und Uecker ließen sich selbstverständlich als Lehrer ausbilden. Immendorff unterrichtete jahrelang an einer Hauptschule. Wollen die Künstler heute nur noch frei sein?

Krebber: Früher hatten sie sicher eine pragmatische Lebenseinstellung. Sie wussten: Von Nichts kommt nichts. Selbst meine Eltern schlugen die Hände über den Kopf zusammen, als ihr Sohn Künstler werden wollte. Heute ist die Situation anders: Wir haben Eltern, die ihre Kinder bewundern und unterstützen, wenn sie Künstler werden wollen. Wir haben inzwischen im Orientierungsbereich Elternverbot.

Was heißt das?

Krebber: Wir haben Väter mit dem Akkubohrer in der Hand erlebt, die vor der Prüfung auftauchten, um die Sachen der Tochter aufzuhängen. Gerade im Orientierungsbereich sollten die Studierenden aber etwas Abstand vom Elternhaus gewinnen. Es geht um Selbstverantwortung, Lebenspraxis und Reife. Deshalb heißt ein Lernziel im ersten Jahr: „Zu Hause ausziehen“.

Sind die Studenten nur noch „­­Muttersöhnchen“?

Krebber: Nein, es liegt anders: Wer sich nicht selbst überschätzt, kann kein Künstler werden. Ohne ein gesundes Sendungsbewusstsein wird es schwierig. Ich sage gern: „Use your illusions“, nutze deine Selbsttäuschung. Aber vergiss nicht, dass es dich täuschen kann. Früher gab es vielleicht mehr Bewusstsein für das Risiko, Kunst zu studieren. Jetzt sind sie eher der Überzeugung, dass ihnen die Eltern schon helfen werden.

Sieht die Jugend in der Kunst nur noch den wunderbaren Beruf, in dem man unendlich viel Geld verdienen kann?

Krebber: Als ich Kunst studierte, bedeutete das noch den Ausstieg aus dem bürgerlichen Leben. Heute ist Kunst auch eine Karriere. Und das ist ein Fluch. Ich hatte noch Angst, dass ich mir keine Unterhose mehr leisten könnte. Diese Existenzängste sind vielleicht noch da, aber es wird schon irgendwie gehen. Der Hype um die zeitgenössische Kunst findet seinen Niederschlag darin, dass Leute meinen, daran teilhaben zu können. Sie wollen nicht sehen, dass die Einkommen in der Kunst extrem ungleich verteilt sind: Ganz wenige haben ganz viel, ganz viele haben ganz wenig. Die wenigen Spitzenstars überstrahlen alles andere und lassen uns die Mehrheit vergessen.

Der Beruf des Pädagogen wäre ein Ausweg?

Krebber: Ich möchte die Kunsterziehung nicht allein als einen Job zur Existenzsicherung sehen. Es ist sinnvoll und erfüllend, sich mit Kunst zu beschäftigen und das an den Nachwuchs weiterzugeben. Aber wer es pragmatisch sehen will, auch gut: Jobben müsst ihr sowieso, dann macht zumindest etwas Sinnvolles, als Kunstlehrer.

Was hindert potenzielle Studierende daran?

Krebber: Das Studium bedeutet sehr viel mehr Arbeit. Das KL ist eine andere Herausforderung als das bloße Kunststudium. Man hat weder Zeit, sich richtig auf seine Kunst zu konzentrieren, noch die Zeit für die anderen Fächer. Aber gerade das macht KL-Studenten so stark, dass sie sich strukturieren können. Sie haben mehr auf dem Kasten. Sie stecken die freien Studierenden in die Tasche, sie sind vor allem die besseren Gesprächspartner. Sie kommen über ihre Organisationsfähigkeit plötzlich zu einem besseren künstlerischen Ausdruck. Der Druck, den wir auf sie machen, hilft ihnen nachher.

Nun könnte man den Lehrerberuf auch auf einer Universität studieren. Wäre das eine Alternative?

Krebber: Wer Kunst unterrichten will, muss Kunst auch gelebt haben. Das kann er am Besten auf einer Kunstakademie. Er muss aber auch die These überwinden, dass das Künstlerleben nur ideal ist. Nach dem bloßen Lustprinzip wird im späteren Leben nicht mehr gefragt.

Daraus folgt?

Krebber: Ich plädiere dafür, dass jeder sein eigener Mäzen ist. Das macht unabhängig. Als Künstler geht es nach wie vor darum, frei zu sein. Das Lehramt ist dazu ein passabler Weg. Genügend künstlerische Vorfahren haben es auch geschafft, Kunst und Lehramt in den Anfängen zu verbinden. Vielleicht sind sie gerade deshalb so gute Künstler geworden. Also: Bewerbt Euch bei uns!

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