Beth Ditto: So sexy wie Madonna

Die füllige Amerikanerin macht die Band Gossip zu einem musikalischen Statement. Das Publikum feierte die Musiker.

Düsseldorf. Konzerte von Gossip sind Konzerte von Beth Ditto. Punkt. Das ist so, weil die Amerikanerin mit Kleopatra-Haarschnitt das personifizierte Statement in Sachen „Hier bin ich!“ ist. Und weil sie gerne mal verrückte Sachen macht, während der Rest ihrer Band im Hintergrund spielt. „Sachen, die man sich selber nie trauen würde“, sagt Judith aus Langenfeld.

Judith ist mit Carola, Sonja und Andrea und knapp 6000 anderen Menschen am Dienstagabend in die Halle an der Siegburger Straße gekommen, um Gossip respektive Beth Ditto sehen. Die Menge ist so bunt wie die Karriere der US-Band bislang verlief: Drei Alben — drei Chart-erfolge. Alle Musiker sind homosexuell — also wurden Gossip zum Flaggschiff der Bewegung ausgerufen. Und Beth Ditto — die um ihre Leibesrundungen einen Kult entfachte, der sie mit Nacktfotos bis auf die Cover von Hochglanzmagazinen und mit einer Modekollektion bis auf Karl Lagerfelds Laufsteg brachte — ist die Galionsfigur am Bug des Gossip-Schiffes, das durch Tabus pflügt wie ein Eisbrecher durchs Eis.

In der Halle knutschen Männer Frauen, Männer Männer und Frauen Frauen. Die Fans laufen in Leopardenfell-Tops und mit Rosen-Tattoos auf dem Arm herum. Und Beth Ditto? Die behält diesmal zwar 90 Minuten lang ihre Klamotten an — was ja beileibe nicht immer so ist. Aber sie tanzt und tanzt im hautengen Kleid, als ob es kein Morgen gebe und pfeift dabei auf die über schwabbelnde Bauchringe lästernde Ästhetik-Polizei. „Move In The Right Direction“ schreit sie und schüttelt Hände.

Die richtige Richtung an diesem Abend führt fort vom Ist-Zustand: Draußen gibt es Egoismus — drinnen sind alle eins, Beth Ditto keift den Egoisten „Standing In The Way of Control“ entgegen und schwört ihren Fans: „Isch libbe Eusch“. Draußen ist es nasskalt — drinnen wehen Regenbogen-Fahnen auf die Bühne. Beth Ditto schnappt sie sich, wischt sich mit ihnen den Schweiß vom üppigen Dekolleté und hüllt sich in sie ein.

Die Band um die jungenhafte Trommlerin Hannah Blilie und den Schnäuzer-Gitarristen Nathan Howdeshell spielt dazu den typischen Gossip- und Beth-Ditto-Soundtrack aus Polka-Marsch-Disco-Schlagzeug und sägend-kratzender Gitarre. Und als zum Über-Hit „Heavy Cross“ Publikum wie Musiker zusammen ausflippen, muss auch der letzte Ästhetik-Polizist gestehen: Diese Band mit dieser Frontfrau führt den Mainstream ad absurdum — und ist dabei mindestens so sexy wie Madonna, Gwen Stefanie und Robbie Williams zusammen.

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