Balletttänzerin Mea Venema: „Ich bin Tänzerin geworden, weil die Gelenke zu schwach waren“

Tänzerin Mea Venema und ihre Tochter Feline van Dijken über Ballett und die Ästhetik des Hans van Manen.

Balletttänzerin Mea Venema: „Ich bin Tänzerin geworden, weil die Gelenke zu schwach waren“
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Martin Schläpfers Compagnie bringt mit „Polish Pieces“ wieder ein Ballett Hans van Manens auf die Bühne. Mit den Tänzern arbeitet hier auch dessen langjährige Choreografie-Assistentin Mea Venema, die einst Tanzpartnerin von Größen wie Rudolf Nurejew gewesen ist. Zu den nun in Düsseldorf mitwirkenden Balletttänzern gehört auch Venemas Tochter Feline van Dijken. Sie ist mit der Prominenz der Ballettkunst sozusagen aufgewachsen.

Frau Venema, wie sind Sie zum Tanzen gekommen?

Mea Venema: Als ich acht Jahre alt war, befand ein Arzt meine Gelenke für zu schwach. Meine Schwester hat mir daraufhin geraten, Ballettunterricht zu nehmen, um durch das Training stärker zu werden. Das habe ich getan. Und es hat mir so gut gefallen, dass ich immer häufiger dort hingegangen bin. Schnell wurde mein Talent entdeckt und ich bekam viel Zuspruch und Förderung. Und so bin ich Balletttänzerin geworden.

Frau van Dijken, war der Weg zum Ballett für Sie durch ihre Mutter vorgezeichnet?

Feline van Dijken: Ja, für mich war es ganz selbstverständlich seit ich geboren bin. Ich bin ja fast im Studio aufgewachsen. Ich habe mich nicht nur von klein auf in die Schönheit des Tanzes auf der Bühne verliebt, sondern auch in die ganze Arbeit, die dahinter steht — zum Beispiel mit dem Ballettmeister neue Stücke zu erlernen. Ich habe fasziniert beobachtet, wie meine Mutter mit den Tänzerinnen und Tänzern gearbeitet hat.

Venema: Und sie hat dabei viel Erfahrung gesammelt. Ich habe auch oft meinen Sohn ins Studio mitgenommen. Das war abwechselnd, mal sie, mal ihn.

Van Dijken: Er hat auch diesen Bezug zur Bühne weiterverfolgt, auch wenn er kein Tänzer, sondern Artist geworden ist. Als erfolgreicher Jongleur arbeitet er unter anderem im Tigerpalast Frankfurt.

War es denn wirklich so klar, Tänzerin zu werden, oder gab es auch eine Phase der Opposition?

Van Dijken: Für mich war es immer klar. Ich habe es geliebt, selber mitzumachen. Als Tänzerin muss man sowieso früh anfangen. Das kann man nicht erst mit 17 entscheiden. Natürlich ist es anstrengend, aber es macht vor allem Spaß, und dann ist es nicht mehr schwer.

Frau Venema, wie haben Sie Hans van Manen kennengelernt?

Venema: Ich habe Hans als Heranwachsende tanzen sehen und fand ihn fantastisch. Als ich mit meiner Tanzausbildung fertig war, wollte ich unbedingt ans Nederlands Dans Theater, weil er da war. Er war dort inzwischen zusammen mit Benjamin Harkarvy Direktor. Und er hat mich tatsächlich engagiert — da war ich 17.

War die Geburt des ersten Kindes für Ihre Tänzerinnenkarriere ein Problem?

Venema: Als ich schwanger wurde, traute ich mich erst nicht es zu sagen. Doch irgendwann musste die Wahrheit raus. Und bis ich selber wieder fit für die Bühne war, hat Hans van Manen mich gefragt, ob ich ihm beim Einstudieren assistieren wolle. Darauf habe ich mich nach der zweiten Geburt dann spezialisiert, und daraus ist meine zweite wunderbare Tanzkarriere entstanden.

War es ein Unterschied mit dem Tanzen vor und nach der Schwangerschaft?

Venema: Man muss wieder stark werden. Es war nicht leicht, aber es war möglich.

Sie haben auch mit Rudolf Nurejew getanzt. Wie war er als Kollege?

Venema: Er hatte eine starke Persönlichkeit und konnte schwierig sein. Er hat einen aber auch mit großer Liebenswürdigkeit überrascht. Man wusste vorher nie, wie es mit ihm sein würde. Und es konnte wunderbar sein.

Wie war die Arbeit mit Hans van Manen?

Venema: Das Lernen war mit ihm nie langweilig. Was er erklärte, war immer zu verstehen. Er weiß, was er will und was er sagen muss, um das zu bekommen. Und er hat einen großartigen Humor. Van Dijken: Ich war oft dabei, wenn er mit meiner Mutter gearbeitet hat, und ich habe dadurch immer mitgelernt. Van Manen hat eine ganz eigene Art und Weise etwas zu erklären.

Venema: Ihm sind die Beziehungen zwischen den Figuren wichtig, die Blickrichtungen spielen deshalb eine extrem wichtige Rolle — es ist nicht damit getan, dass sie einfach ins Publikum schauen.

Wie ist denn die Choreografie von „Polish Pieces“?

Venema: Wie die Musik von Henryk Górecki: Sehr kraftvoll und abwechslungsreich. Van Dijken: Im Gruppentanz muss das auch sehr kraftvoll und mit viel Intensität getanzt werden. Beim Pas de deux ist die Frau sehr stark, fast etwas kühl, dagegen der Mann sehr gefühlsbetont. Insgesamt gleicht sich das in Choreografien von Hans van Manen immer aus — Frauen und Männer behandelt er absolut gleichwertig. Venema: Das stimmt. Bei Hans van Manen ist eben nicht nur Harmonie zwischen den Figuren, da ist immer etwas los.

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