Ausstellungs-Jubiläum: Performance als Mutter aller Künste

Zum 100-jährigen Bestehen der Aktionskunst zeigt Julia Stoschek in ihrem Privatmuseum eine Sensationsschau.

Düsseldorf. Julia Stoschek ist nicht nur eine beispielhafte Sammlerin und Mäzenin, sondern eine hochintelligente Frau. Sie präsentiert erstmals die Geschichte des Happenings, der Performance, der Aktion und Aufführungskunst in einem hochinteressanten Überblick. "Performance ist die Grundlage aller Künste", ist ihre These. Sie beweist sie in einer atemberaubenden Ausstellung in ihrem Privatmuseum an der Schanzenstraße in Oberkassel.

Sechs Monate wurde gehämmert und gesägt, sind Etagendecken gezogen und Räume geschlossen wurden. Zuletzt waren 25 Techniker und Ingenieure am Werk, um die Totale einer Kunst zu dokumentieren, die sich nicht in Ölfarbe oder Bronze, sondern in Texten, Fotos, Filmen,Videos und in Sound-Material darstellt.

Stoschek zeigt erstmals nicht ihre eigenen Schätze, sondern die aus dem Museum of Modern Art (MoMa), dem Paul-Getty-Museum und den Archiven der Künstler. Als Kuratoren holte sie sich die besten Kenner der Materie, den Chefkurator für Medien- und Performancekunst am MoMa, Klaus Biesenbach, sowie die Chefin der Performance-Biennale in New York, RoseLee Goldberg. Sie selbst steuert das Geld für ein Forschungsprojekt bei, sind doch Fragen zur Konservierung und Restaurierung der alten Filme dieses wichtigen Kapitels der Avantgarde bisher noch nicht geklärt.

Den Auftakt in Oberkassel machen die Futuristen: Filippo Tommaso Marinetti (1876-1944) textete das "futuristische Manifest" und bekam dafür die erste Seite des Figaro am 20. Februar 1909 zur Verfügung gestellt. Er schwärmte von der "Schönheit der Bewegung", während sein Kollege Giacomo Balla mit seiner "typografischen Maschine" 1914 ein Plakat aus purer Lautschrift druckte. In Russland schuf fast zur selben Zeit der Regisseur Vsevolod Meyerhold "Den gewaltigen Hahnrei" als erstes konstruktivistisches Theaterstück, ließ die Designerin Liubov Popova ein windmühlenartiges Bühnenbild schaffen und den berühmten Tänzer Vaslav Nijinsky auftreten.

Oskar Schlemmers Triadisches Ballett von 1922 am Bauhaus war ruhiger, gesetzter als das choreografische Stakkato von Michel Fokine für das Russische Ballett unter Serge Diaghilev. Natürlich mischten auch die Dadaisten und Surrealisten mit. George Grosz erregte 1918 Aufsehen, als er als "Dada-Tod" über den Kurfürstendamm in Berlin stolzierte.

Kaum war der Zweite Weltkrieg vorüber, ging es in Europa und Amerika richtig los mit der Kunst des Augenblicks. Yoko Ono, Pionierin der Fluxus-Bewegung und Ehefrau des Beatle-Sängers John Lennon, empfahl dem Publikum 1961, mit dem Hammer Nägel in eine Leinwand zu schlagen und diese mit Haaren von der Morgentoilette zu garnieren, als Ersatz für Pinsel, Bleistift und Ölfarbe. Zwei Jahre später schnallte sich der Pop-Künstler Robert Rauschenberg einen Fallschirm um den Leib, öffnete ihn und ließ sich auf Rollschuhen durch Washington treiben. Natürlich sind auch die "Säulenheiligen der Performance" (Klaus Biesebach) dabei, der Düsseldorfer Joseph Beuys und der Düsseldorfer Kunstpreis-Träger Bruce Nauman.

Es gibt Mitschnitte von Performances, die unter die Haut gehen, wenn Sigalit Landau um die nackte Hüfte einen Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht kreisen lässt. In Europa wenig bekannt ist Tehching Hsieh, dessen Performance jeweils ein Jahr lang dauerte, wobei er sich in einen Käfig oder ins Studio einsperrte und eine Stechuhr Tag und Nacht bediente. Hier endet die Aktion in blanker Absurdität.

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