Ausstellung am Rhein Der Konflikt von Meistern und Schülern

Düsseldorf · In der Akademiegalerie sind Meister und Meisterschüler in der Konfrontation zu sehen: Mataré, Beuys und Immendorff.

 Künstler Joseph Beuys im Jahr 1979 in seiner Wohnung Drakeplatz in Düsseldorf-Oberkassel.

Künstler Joseph Beuys im Jahr 1979 in seiner Wohnung Drakeplatz in Düsseldorf-Oberkassel.

Foto: picture-alliance / akg-images / Brigitte Hellgoth/Brigitte Hellgoth

1965 trat Joseph Beuys mit totem Tier auf dem Arm in der Galerie Schmela auf. Sein Kopf war dick mit Gold und Honig eingeschmiert, an seiner Weste klebte Hasenblut. Wer würde heute diese Performance noch einmal wagen: einem Hasen die Bilder zu erklären? Oder einen Filzanzug zur Skulptur erklären? Ganz zu schweigen von der 1986 von Personen mit Reinlichkeitsdrang entfernten Fettecke? Heute gilt sie als kurioseste Kunstvernichtungsaktion des 20. Jahrhunderts, deren Verlust und Wert als Streitfall vor Gericht verhandelt wurde und damit dem Künstler keinesfalls schadete, sondern seine Legendenbildung vorantrieb.

Alles ist Kunst, hat Beuys gesagt, die Soziale Plastik entworfen, eine von Material und Machart befreite Sicht auf Prozesse, Aktionen und Ideen. Dahinter steht das Postulat, dass jeder Mensch ein Künstler sei.Nicht vorher und nicht hinterher hat jemand so etwas behauptet. Und niemand hat ähnliche Kunst wie Joseph Beuys (1921–1986) gemacht. Nicht einmal fleißige Kopisten oder seine Schüler, von denen viele berühmt wurden, wagten sich an das so unartige wie auffällige, krude und ungewohnt sozialdramatische Werk.

Werke als gesellschaftskritisches Kunst-Evangelium

Singulär steht Beuys 100 Jahre nach seiner Geburt mit seinen Hinterlassenschaften da, von denen ein Großteil die Neufassung eines gesellschaftskritischen Kunst-Evangeliums ist. Vieles wird im Jubiläumsjahr gedeutet und unterstellt, gelobt und kritisiert angesichts eines Ausstellungsreigens, der den Meister vom Niederrhein mitunter inflationär ehrt.

Der Beuys-Wumms, der in seiner Radikalität die gesamte Kunstgeschichte im Aufbruch der 60er-Jahre erbeben ließ, hallt bis heute nach. Wo aber kam das her, wie kam der Kriegsheimkehrer darauf, die Kunst derart zu radikalisieren? Das fragt man, und: Wie ging das weiter? Schließlich lehrte der sendungsbewusste Beuys in Düsseldorf, wo er zuvor studiert hatte.

Die Galerie der Kunstakademie leistet im Beuys-Jahr einen besonderen Blick auf den Meister von Fett und Filz. Drei Generationen setzt Kuratorin Vanessa Sondermann in Beziehung zueinander, Beuys steht neben seinem Lehrer und Auftraggeber Ewald Mataré da, als Beuys-Schüler wurde sein prominenter „Jünger“ Jörg Immendorff ausgewählt, der ab 1996 ebenfalls an der Akademie lehrte und 2007 starb.

Alle drei Künstler haben ein monumentales Werk hinterlassen, aus dem Arbeiten ausgewählt wurden, die die Impulse im Rheinland und die menschlichen Beziehungen untereinander beleuchten. Kenntnisreich legt der Katalog dar, dass Mataré seinem ehemaligen Meisterschüler etwa die Berufung an die Akademie verderben wollte. Gegenüber dem Akademierektor K.O. Götz hatte Mataré sich wie folgt geäußert: „Ihr wollt doch nicht etwa den Beuys berufen, der ist doch verrückt.“ Verhindern konnte der 1965 gestorbene Bildhauer Beuys nicht.

Wie stark das Band zwischen Schüler und Lehrer sein kann, lernt man in dieser Ausstellung. Gleich im Eingangsraum beherbergt die Vitrine jene feinen, kleinen Tierskulpturen, mit denen man Mataré unbedingt verbindet. Unschuldige Kälbchen, liegend, aus Bronze, ohne Schwanz. Die man unbedingt anfassen möchte. Eine Sehschule ist diese Vitrine, in der der Betrachter versuchen soll, Beuys von Mataré zu unterscheiden. Denn auch Beuys hat solche Figuren erschaffen.

Einer schmiedet in Bronze hinein, der andere schreibt Kreide-Sätze

Ganz anders die Kontraste zwischen dem großen Mataré-­Relief und den Beuys’schen Tafeln. Der eine malt und schmiedet klassisch in Bronze hinein, der andere nimmt Kreide zur Hand und schreibt zwischen Kurven und Raster Sätze auf. In Vitrinen, Kästen, auf Tafeln und dem Kneipentisch breitet sich Beuys ungeniert aus, von einer seiner berühmtesten Performances berichtet das Fußwaschungsvideo einen Raum weiter. Die zarteste Zeichnung dürfte die Hasenfrau (1952) sein. Der Filzanzug hängt auch an der Wand – 1970 entstanden, hundertfach vervielfältigt. Beuys war ein Meister der Selbstinszenierung, zu seiner Zeit ein Influencer.

Weiter geht es mit Immendorff und seinen Beuys-Bezügen: Das Bild „Mona schwana“ ist sein Lehrerporträt, das einzige, das Beuys jemals (für 200 D-Mark) erwarb. In Immendorffs letztes von der schweren Krankheit verdüstertem Selbstporträt und seine Lidl-Stadt möchte man sich vertiefen.

Zum Ausklang hat die Akademie legendäre Fotoserien ausgehängt, die von den wilden Jahren berichten, im Katalog ist parallel die Akademiezeitung reproduziert, die anlässlich der Querelen im Mai 1969 erschien und die durch Beuys provozierte Schließung der Akademie vielstimmig kommentierte. „Sie wollen die Anarchie“, hieß es 1969 – von Beuys intoniert. Das ist nun wirklich lange her.

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