Serie Das elegante Bürohaus neben dem Bungalow

Düsseldorf · Flughäfen, Weltausstellungen, futuristische Häuser: Paul Schneider-Esleben und Ernst Althoff setzten neue Maßstäbe für Architektur und Design – auch im Düsseldorfer Umland.

 Elegant und streng wirkt das Bürohaus, das Architekt Ernst Althoff für Erich Riedel in Haan-Gruiten entwarf.

Elegant und streng wirkt das Bürohaus, das Architekt Ernst Althoff für Erich Riedel in Haan-Gruiten entwarf.

Foto: Julia Zinnbauer

Gleich zu Beginn seiner Karriere setzte der Düsseldorfer Architekt Paul Schneider-Esleben (1915-2005) mit dem Bau der Haniel-Garage der Geschwindigkeit, der Bewegung und dem Fortschritt ein kristallines Denkmal: Sie besteht nur aus einem filigranen Betongerippe, einer riesigen Glasfassade mit türkisblauen Fensterrahmen und zwei am Dach aufgehängten, elegant geneigten Rampen. Am Stadtrand gelegen, mit einem Drive-in-Motel ausgestattet und durch die Straßenbahn an das Zentrum Düsseldorfs angebunden, entstand mit der Haniel-Garage ein früher Vorbote der autogerechten Stadt nach amerikanischem Vorbild. In einem Entwurf des 1953 fertig gestellten Gebäudes hatte Schneider-Esleben sogar einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des Parkhauses eingezeichnet.

Das Fliegen – in seiner Verbindung aus Dynamik, Technik, Verwegenheit und dem dreidimensionalen Raum die ideale Fortschrittsmetapher – hatte in Schneider-Eslebens Auseinandersetzung mit der modernen Architektur auch einen biographischen Bezug. Als er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zum Militär eingezogen wurde, musste er sein Architekturstudium unterbrechen und eine Ausbildung zum Kampfpiloten antreten. In der Nähe seines Stützpunktes in Lothringen lernte er den Architekten Rudolf Schwarz (1897-1961) kennen, der ihn mit den Ideen der Moderne bekannt machte. Zuvor hatte sich Schneider-Esleben im Architekturbüro seines Vaters Franz Schneider vor allem mit dem Um- und Ausbau von Schlössern und Kirchen beschäftigt. Von seinem Militärdienst wurde der Sohn schließlich befreit, da er als Architekt im Büro seines Vaters als unabkömmlich erachtet wurde. Rudolf Schwarz wurde nach dem Krieg als Generalplaner verantwortlich für den Wiederaufbau Kölns.

 Jetset-Architekt Schneider-Esleben am Düsseldorfer Flughafen. Er setzte sich dafür ein, dass Ernst Althoff das Bürohaus neben seinem Bungalow bauen sollte.

Jetset-Architekt Schneider-Esleben am Düsseldorfer Flughafen. Er setzte sich dafür ein, dass Ernst Althoff das Bürohaus neben seinem Bungalow bauen sollte.

Foto: Archiv Claudia Schneider-Esleben/2001 SNOWBOUND, ALL RIGHTS RESER

Anfang der 1950er Jahre, als Schneider-Esleben am Entwurf der Haniel-Garage arbeitete, beauftragte eine junge Familie aus Düsseldorf den Architekten damit, für ihr Grundstück in Gruiten ein Wohnhaus zu planen. Für Familie Riedel baute er seinen ersten Flachdach-Bungalow nach kalifornischem Vorbild, sogar noch vor seiner ersten Amerikareise. Erich Riedel war als technischer Direktor einer Stahlbaufirma für Patente zuständig und machte sich schließlich als Patentanwalt selbstständig. Ende der 50er Jahre eröffnete er ein Büro in Düsseldorf am Hofgarten und pendelte täglich mit seinem blauen Mercedes in die Stadt. Von sich selbst sagte er, er übernehme jeden Fall, vom Patent für dreieckige Fahrradlenker bis hin zum UFO, nur für Waffen stellte er keine Patente aus. Sein Büro expandierte, sodass er sich Mitte der 60er Jahre entschloss, Paul Schneider-Esleben mit dem Entwurf eines modernen Büro-Hauses zu beauftragen, für das Grundstück direkt neben seinem Bungalow. Seine Klienten kamen ohnehin aus der ganzen Welt, warum sollten sie nicht vom Flughafen Düsseldorf aus direkt nach Gruiten fahren?

Seit dem Bau der Haniel-Garage und des Bungalows für Familie Riedel hatte Schneider-Esleben eine rasante Karriere vollzogen. Außerdem haftete ihm das Image eines glamourösen Jetset-Architekten an. Immer wieder flog er in die Vereinigten Staaten und setzte sich dort mit der modernen Architektur auseinander. Als er 1961 eine Professur an der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg erhielt, kamen regelmäßige Flüge in die Stadt an der Elbe hinzu. Ende der 60er Jahre bekam „Schneider-Jetleben“, wie man ihn mittlerweile nannte, dann den perfekten Auftrag: Er sollte den Flughafen Köln/Bonn entwerfen. Aus der Frühzeit des Flughafens existiert ein Foto, auf dem der Architekt im Trenchcoat und mit seiner ledernen Aktentasche unter dem Arm über das Rollfeld läuft. Man riecht förmlich den Duft des Kerosins. Den zeitgleichen Auftrag, für Erich Riedel ein Bürohaus entwerfen, musste er ablehnen, empfahl jedoch seinen Mitarbeiter Ernst Althoff als Architekten.

 Eines der Büros im Haus von Ernst Althoff. Hier befand sich einst eine Doppel-Garage. Als Patentanwalt Erich Riedel expandierte, baute sie ihm der Architekt in ein Büro um.

Eines der Büros im Haus von Ernst Althoff. Hier befand sich einst eine Doppel-Garage. Als Patentanwalt Erich Riedel expandierte, baute sie ihm der Architekt in ein Büro um.

Foto: Julia Zinnbauer

Der Name Althoff gehörte für Familie Riedel zum festen Alltag

Der Name Althoff war Familie Riedel durchaus bekannt und ein fester Bestandteil ihres täglichen Lebens. Die Möbel, die Schneider-Esleben für den Bungalow entworfen hatte, stammten allesamt aus der Schreinerei von Johannes Althoff in Krefeld. Der Sohn, Ernst Althoff, hatte zunächst eine Schreinerlehre bei seinem Vater gemacht, dann an der späteren Werkkunstschule Krefeld Architektur studiert und war schließlich in die Klasse des Architekten Hans Schwippert (1899-1973) an der Kunstakademie Düsseldorf aufgenommen worden.

 Die Treppe bildet das Herz des Bürohauses. Sie besteht aus dunklen Holzstufen und einem mit Resopal verkleideten weißen Geländer.

Die Treppe bildet das Herz des Bürohauses. Sie besteht aus dunklen Holzstufen und einem mit Resopal verkleideten weißen Geländer.

Foto: Julia Zinnbauer

Dem Material Holz blieb Althoff sein Leben lang treu. Es spielt in all seinen Projekten eine Rolle, sowohl in der Architektur als auch in seinen Möbelentwürfen, seinen Ausstellungskonzepten und in seinen modularen Skulpturen. Für Joseph Beuys baute er ein Bett aus Stahl und Eichenholz. Allerdings entwarf er auch Serienmöbel, mit denen er zeigen wollte, dass nicht nur das individuelle Talent das Ergebnis bestimmt, sondern auch der intelligente Umgang mit Maschinen. Seine Idee, den traditionellen Baustoff Holz akkurat und mit modernster Technik zu verarbeiten, zeigt sich deutlich in der Treppe, die Althoff später für Riedels Bürohaus entwerfen sollte.

Hans Schwippert hatte sich in Aachen und Düsseldorf als moderner Architekt des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg verdient gemacht und holte seinen ehemaligen Studenten Ernst Althoff 1963 als Dozent an die Kunstakademie Düsseldorf zurück. Davor war Althoff über mehrere Jahre hinweg dessen Assistent. Schwippert ließ dem jungen Architekten eine große gestalterische Freiheit, beispielsweise bei dessen Konzept für die Ausstellung „Werdendes Abendland an Rhein und Ruhr“ im Jahr 1956 in der Villa Hügel in Essen. Ihm gelang es, die Innenräume des großbürgerlichen Wohnhauses der Familie Krupp in ein modernes Museum umzugestalten und präsentierte die mittelalterlichen sakralen Gegenstände in einer Atmosphäre von klösterlicher Strenge und Eleganz.

 Futuristisch, aus Aluminium und leuchtend rotem Stoff: der Montreal-Chair von Architekt Ernst Althoff.

Futuristisch, aus Aluminium und leuchtend rotem Stoff: der Montreal-Chair von Architekt Ernst Althoff.

Foto: Ernst Althoff

Auf den Erfolg in Essen hin wurden Schwippert und Althoff auch am deutschen Beitrag für die Weltausstellung in Brüssel 1958 beteiligt. Bei der ersten Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die neuen Zukunftstechnologien Raumfahrt und Atomkraft erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Der schweizerisch-französische Star-Architekt Le Corbusier (1887-1965) entwarf für die Firma Philips einen silbrig schimmernden, futuristischen Pavillon, der nur aus einem asymmetrischen, gefalteten, sich hoch auftürmenden Dach bestand, für ihn ein „elektronisches Gedicht“. Der klare, transparente, deutsche Pavillon stammte von den beiden Architekten und Designern Egon Eiermann (1904-1970) und Sep Ruf (1908-1982). Letzerer entwarf kurz darauf den Kanzlerbungalow. Althoff und Schwippert leisteten einen Beitrag zum Thema Wohnen.

Die Expo 67 im kanadischen Montreal schloss thematisch an die Weltausstellung in Brüssel an. Der Architekt Frei Otto (1925-2005) entwarf den deutschen Pavillon in Form einer Zeltkonstruktion, die er für die Olympischen Spiele 1972 in München noch einmal erweiterte und variierte. Der Architekt Rolf Gutbrod (1910-1999) gliederte den Boden des Pavillons durch eine Landschaft aus Podesten und Treppen, für die Freihand-Bibliothek im Zentrum des Zeltes entwarf Ernst Althoff Regale aus Holz und Aluminium. Den futuristisch aussehenden Montreal-Chair, der aus leicht montierbaren Aluminiumelementen bestand und mit leuchtend rotem Stoff bespannt war, entwickelte er für den Empfangsraum des Generalkommissariats.

Für sein Bürohaus orientierte sich Althoff an Mies van der Rohe

Ernst Althoffs Bürogebäude für den Patentanwalt Riedel in Gruiten entstand in den Jahren 1966/67, zur Zeit der Weltausstellung in Montreal, noch bevor der Architekt 1972 eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf übernahm. Dagmar Riedel, die Tochter des Auftraggebers, wohnt seit ihrer Jugend begeistert in einem der Apartments des Bürohauses. Ernst Althoff, so berichtet sie, sei beim Entwurf des Gebäudes eines wichtig gewesen: Die Proportionen sollten auf den Barcelona-Pavillon von Bauhaus-Architekt Mies van der Rohe zurückgehen. Althoff imponierte, wie elegant und materialgerecht Mies seine Gebäude in Szene setzte. Noch seiner eigenen Ausstellung in Viersen im Jahr 2012 stellte er dessen Motto voran: „Jeder Stoff ist nur das wert, was wir aus ihm machen“.

Von außen mit Schiefer und schwarzem Holz verkleidet und klar in eine obere und eine untere Etage gegliedert, strahlt das Haus Strenge und Eleganz aus und ergänzt Schneider-Eslebens Bungalow aus den frühen 1950er Jahren zu einem architekturgeschichtlich außergewöhnlichen Ensemble. Althoffs Bürogebäude ist nach dem goldenen Schnitt komponiert. Die Fassade und der Grundriss, alle Linien und Flächen stehen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Man kann nachvollziehen, dass der Architekt eine enge Verbindung zwischen Architektur und Musik sah.

Die Treppe, die den Besucher direkt empfängt, wenn man das Haus durch die Glastür betritt, ist das Herz des Gebäudes und für Althoff selbst ein wichtiges Element auf seinem Lebensweg als Gestalter. Angesichts der Treppe in ihrer ungewöhnlichen Verbindung aus dunklen Wengeholz-Stufen und einem mit Resopal verkleideten weißen Geländer kommt einem Althoffs Ausspruch vom intelligenten Einsatz von Maschinen im Umgang mit Holz in den Sinn. Der grüne Travertinboden, der sich durch das gesamte Haus zieht, ist laut Althoff ebenfalls eine Reverenz an den Barcelona-Pavillon. Darüber hinaus ließ es sich Patentanwalt Riedel nicht nehmen, auch in seinem neuen Bürogebäude Materialien zu verbauen, die er selbst patentiert hatte. So bestehen die Wände aus Siporex, einer Art Rigips mit der Fähigkeit, Feuchtigkeit zu transportieren.

Selbst wenn man nicht bewusst darauf achtet, so spürt man im Inneren des Hauses unterschwellig immer die Ausgewogenheit der einzelnen Elemente zueinander. Und das ist das Geniale an Althoffs Gebäude: Es ist streng, klar, minimalistisch, sachlich – und ausgesprochen behaglich. Die auf dem Goldenen Schnitt basierende Harmonie, die dem gesamten Entwurf zugrunde liegt, überträgt sich auf den Besucher, man fühlt sich sofort wohl. Durch das Zusammenspiel von kostbaren Materialien, harmonischen Formen und dem Licht, das durch die Fenster fällt, wird man unmittelbar in eine positive Stimmung versetzt.

Dem Bürogebäude in Gruiten ist es zu wünschen, dass es, so wie der Bungalow von Paul Schneider-Esleben – auf den er sich räumlich und stilistisch bezieht und der vor kurzem unter Denkmalschutz gestellt wurde –, in seinem gesamten kunst- und kulturgeschichtlichen Zusammenhang gleichermaßen wertgeschätzt, geschützt und erhalten wird.

Althoff starb im Jahr 2016 im Alter von 88 Jahren. Seine Ideen von Konstruktion, Dekonstruktion, Harmonie und Schönheit hatte er auch nach seiner Lehrtätigkeit weiter vermittelt, zuletzt in seinen Ausstellungen in Viersen und Düsseldorf. Mit einem aus Holzelementen bestehenden Baukastensystem konnte dort jeder Besucher spielerisch Skulpturen bauen, ganz im Sinne des homo ludens, des spielenden Menschen.

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