Annette Piene schreibt über ihren Vater : Otto Pienes Tochter Annette schreibt Buch über ihren Vater
Düsseldorf Pienes Tochter schreibt in ihrem Buch, wie sich „Ötte“ auf dem Flügel im Atelier „zusammenfaltete und schlief“.
Annette Piene Württemberger (72), Tochter von Otto Piene aus der ersten von vier Ehen des Vaters, hat ihr Buch über „Ötte“ fast fertiggestellt. Es verspricht, eine erfrischende Schilderung über die Anfänge des blutjungen Künstlers zu werden. Bei ihrer Geburt hatte Papa, Jahrgang 1928, noch kein Abitur. Er war als 16-Jähriger zur Flak abberufen worden und musste sich nach Krieg und Gefangenschaft erst noch auf das Abitur vorbereiten. Kaum hatte er es 1947 abgelegt, erlebte er seine erste große Liebe. Er heiratete mit 18 Jahren noch als Schüler und wurde Vater mit 19 Jahren, vor seinem Abitur.
Im Januar 1948 verschwand der noch minderjährige Papa zum Kunststudium nach München und jobbte nebenbei, um die junge Familie zu ernähren. Großmutter, Mutter und die sechs Monate alte Annette blieben ohne ihn in einer „Drei-Weiber-AG“ im norddeutschen Lübbecke zurück, wo Piene seine Kindheit und Jugend verbracht hatte.
Quartier mit 20 Quadratmetern für die Familie
1950 kam Piene nach Düsseldorf, um zu studieren. Der Nachzug der Familie fand allerdings erst 1955 statt, als Papa die Kunstakademie beendet hatte. Das erste Quartier war Pienes Studentenbude in der Lankerstraße 33, als ein Kommilitone das Quartier verlassen hatte. Die Bleibe hatte 20 Quadratmeter, nicht viel für die damals vierköpfige Familie. Ötte musste alle Möbel anfertigen, denn sonst hätten sie nicht gepasst. Ein Badezimmer gab es nicht. Zum Waschen besuchte die Familie das Oberkasseler Schwimmbad, das schräg gegenüber der Wohnung lag und inzwischen abgerissen ist. Als sich abermals Nachwuchs anmeldete, zog die Familie zur Cranachstraße 32 in die Wohnung, die der Bruder von Schneider-Esleben frei machte.
1957 war Pienes arbeitsreichstes Jahr. Annette meint, es hätte 567 Tage gehabt, weil der Vater aus einem Tag anderthalb Tage machte. Im Februar hatte er sein Studium in Köln mit dem Staatsexamen abgeschlossen. Es kam das dritte Kind zur Welt. Piene unterrichtete an der Modeschule, schrieb abends am Küchentisch für Annette anderthalb Seiten Mathematikaufgaben, denn die Tochter hatte auf dem Zeugnis nur eine „Zwei“, und der Vater, in den Augen der Tochter eine Intelligenz-Bestie, sah Handlungsbedarf. Nach getaner Arbeit ging er ins Atelier an der Gladbacher Straße 69, eine Hinterhaus-Ruine, und arbeitete bis in die Nacht an seinen ersten Rasterbildern, wenn er nicht mit Freund Heinz Mack Abendausstellungen organisierte. Im Atelier stand auch ein Flügel. Annette Piene behauptet, auf diesem habe sich der Vater manchmal „zusammengefaltet und geschlafen“.
Ötte lebte bedürfnislos. Die Mutter hoffte vergeblich auf Dinge wie Waschmaschine und Spülmaschine. Diese extreme Bescheidenheit herrschte auch im Atelierhaus an der Hüttenstraße vor dem Umbau der Zero-Foundation. Tochter Piene wirft den Architekten und der Stiftung vor, ein allzu schickes Milieu geschaffen zu haben. Das Infernalische in dem finsteren, morbiden Feuerraum sei verschwunden. Sie sagt: „Heute wirkt der Feuerraum ziemlich platt. Niemand spürt, dass mein Vater dort die Bilder gekocht hat. Das Chaos, das er hinterließ, hätte man lassen sollen. Nun ist es aalglatt und langweilig. Wo sind die Hunderte von Dosen geblieben?“