Schauspielhaus Am Ende des Jubiläums-Marathons am Schauspiel wurde gesungen

Düsseldorf · André Kaczmarczyks „I build my time“ bot eine Zeitreise mit hintergründigem Humor, die nie langweilte.

 André Kaczmarczyks „I build my time“ ließ die Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag des Schauspielhauses musikalisch ausklingen. Auf dem Foto: Marianne Hoika, Jakob Ibrahim, Rainer Philippi, Claudia Hübbecker, André Kaczmarczyk, Lou Strenger, Hanna Werth und Sebastian Tessenow.

André Kaczmarczyks „I build my time“ ließ die Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag des Schauspielhauses musikalisch ausklingen. Auf dem Foto: Marianne Hoika, Jakob Ibrahim, Rainer Philippi, Claudia Hübbecker, André Kaczmarczyk, Lou Strenger, Hanna Werth und Sebastian Tessenow.

Foto: Thomas Rabsch

50 Jahre Düsseldorfer Schauspielhaus – da wird von vielen Bedeutenden und denen, die sich für bedeutend halten, viel geredet, Vieles gesagt. Wichtiges und Unwichtiges. Auch mit Blick in die Zukunft einer Stadtkultur. Doch zum Ende des Jubiläums-Marathons am Gustaf-Gründgens-Platz wird gesungen, getanzt und gerockt. Schnulzen, Lieder und allerlei kurze Schlaglichter in Wort und Bild. „I build my time“ (Ich bau’ mir meine Zeit) heißt das Format, das Regisseur, Autor und Schauspieler André Kaczmarczyk ‚Liederabend’ nennt. Aber eher eine musikalische Zeitreise ist. Meist mit dem Blick zurück.

Ab in die Vergangenheit geht’s mit Kaczmarczyk – Theaterpopstar, Alleskönner und Wunderknabe – und seinen jungen Darstellern, Sängern und Tänzern, die sich in temporeichen zwei Stunden verausgaben. Genauso wie die Live-Band von Matts Johan Leenders, mit dem Kaczmarczyk schon zwei erfolgreiche Liederabende kreierte. Mit zig Songs, unter anderem von Deep Purple, Reinhard Mey, den Toten Hosen, DJ Bobo und Abba, heizen sie dem vollbesetzten großen Haus mit nahezu 800 Besuchern ein, bringen es zum Beben, Johlen, Feiern. Ähnlich wie bei einem Konzert von Pop- und Rock-Ikonen.

Am Ende war es fast eine große Party. Mitten drin Marianne Hoika, die wie eine Urmutter über das bunte Treiben ihrer Theater-Kinder und -Enkel wacht. Die Truppe um sie herum in modisch elegantem Outfit in Weiß-Grau. Sie als Grandmadame in Glitzer-Blau. Mit ihrem tiefen, leicht verrauchten Bariton, ihrem Markenzeichen seit Jahrzehnten, begibt sie sich auf Spurensuche. Vor über 50 Jahren wurde sie ans Schauspielhaus engagiert. Und kramt nun in ihrer Erinnerung. Sie beschwört die Schale des Großen Hauses mit dem güldenen Vogel-Augen-Ahorn-Dekor. „Manche meiner Schreie und Seufzer hast Du aufgefangen“, sagt sie. Spricht von ihrem Jugendtraum, ans Theater zu gehen, sieht sich heute, als betagte Mime, als „Altersnärrin“. Aber sie habe noch nicht alle Sinne verloren, sei nicht altersschwach. Wie eine Norne, eine Schicksalsfrau, bleibt sie die ganze Zeit auf der Bühne, schaut zu, mischt sich selten ein.

Die Bühne von Ansgar Prüwer: ein Metallgerüst, das mal zum Käfig, mal zur Schiffsbrücke oder Laufsteg mutiert, auf dem Gogo-Boys und -Girls in typischen Klamotten der Dekaden abtanzen oder paradieren. Claudia Hübbecker im 40er-Jahre-Dress seufzt Lale Andersens Durchhaltelied „Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei“. Sebastian Tessenow mit Nickelbrille und Klampfe imitiert Reinhard Meys „Annabelle“. Richtig gut singen können auch Lou Strenger und Hanna Werth, schlüpfen in immer neue Gewänder: Sie mimen – im Quartett mit Tessenow (eben noch als Rock’n’Roll-Tänzer bejubelt) und Kaczmarczyk – Abba und ihren Welthit von 1976 „Dancing Queen“.

Nostalgie, Nostalgie! Aber auch Parodie bietet das Ensemble. Ob mit dem „Lied vom Wirtschaftswunder“, dem Konjunktur-Cha-Cha aus den 1950ern oder Schnulzen von Caterina Valente („Wo meine Sonne scheint“) und Freddy Quinns „Unter fremden Sternen“. Mit leicht ironischem Unterton, der niemand verletzt. Die musikalisch-tänzerische Reise mit zahlreichen Zeitsprüngen (vorwärts und rückwärts) wird unterstützt durch fliegenden Kleider-Wechsel (den originellen Kostümen von Jenny Theisen) und durch Bilder aus Fotoalben. Letztere auf Bühnenwand projiziert. Studentendemonstrationen der 68er-Bewegung, Kriegs- und Nachkriegsszenen, „Wir sind das Volk“-Rufer aus der Zeit des Mauerfalls etc.

Aber auch die Enkelgeneration kommt zu Wort: Hoika liest dem zehnjährigen Feras Al-Husseini ihre Noten aus einer alten Zeugnismappe vor. Und der Junge singt eine Coverfassung von Charles Strouses Song „Tomorrow“ (aus dem Musical „Annie“), bevor die Theater-Oma mit „Born to live“ (Marianne Faithfull) einen Schlusspunkt setzt. Mit Melancholie und hintergründigem Schmunzeln.

Fazit: Eine unterhaltsame, abwechslungsreiche Tanz- und Musik-Show, gleichzeitig eine Zeitreise mit hintergründigem Humor, die in keiner Sekunde langweilt. Alles kredenzt ohne Moralin.

Noch zu sehen am 4., 11. und 28. Februar. Weitere Informationen online.

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