Abschied vom Ballett am Rhein - Martin Schläpfers Abgang auf Raten
Der erfolgreiche Choreograf bereitet seinen Abschied vom Ballett am Rhein vor. Der Schweizer will in Zukunft freier arbeiten.
Düsseldorf. Dann soll er doch gehen! Als Martin Schläpfer vor mehr als einem Jahr die Stadt Düsseldorf in dieser Zeitung dafür kritisierte, dass sie in seinen Augen zu wenig mit ihrem großen Pfund, dem Tanz, werbe, herrschte miese Stimmung. Vor allem Politiker zeigten sich pikiert. Hatten sie Schläpfer (58) doch seinen größten Wunsch, ein neues Trainingszentrum für seine Compagnie zu errichten, erfüllt. 26 Millionen Euro kostet sie auf 30 Jahre die Realisierung des Neubaus in einer öffentlich-privaten Partnerschaft, nun erwarteten sie Dankbarkeit. Die Lage beruhigte sich wieder, ganz heilte die Beziehung allerdings nicht mehr. Verletzte Eitelkeiten und Empfindlichkeiten auf beiden Seiten spielen dabei eine Rolle. Vor allem jedoch zeigt die Geschichte eins: dass Martin Schläpfer unbeirrbar seinen Weg geht. Dickköpfig zuweilen, wenn er seine künstlerische oder persönliche Unabhängigkeit bedroht sieht.
Die aktuelle Entscheidung, nach der Ballettdirektion auch den Posten des Chefchoreografen aufzugeben und nur noch eingeschränkt Werke für das Ballett am Rhein zu kreieren, ist vordergründig eine Kompromisslösung. De facto ist es ein Abschied auf Raten.
Als Martin Schläpfer 2009 von Mainz an die Deutsche Oper am Rhein kam, um die Leitung der Tanzsparte zu übernehmen, bewirkte der Schweizer in wenigen Monaten eine bemerkenswerte Entwicklung: Er verhalf dem einstigen Teilbereich zu glanzvoller Autonomie mit neuem, selbstbewussten Namen. Formte in Düsseldorf eine Compagnie, die zuletzt drei Jahre hintereinander zur besten Europas gekürt wurde und setzte das klassische Ballett ein, um existenzielle Fragen des modernen Menschen aufzugreifen. Bis heute verweigert sich Martin Schläpfer romantischen Geschichten. Nussknacker, Dornröschen, Gisèle, nichts davon bot er seinem Publikum, was dieses ihm zunächst übelnahm. Erst allmählich begriffen die Zuschauer, wie sehr die neuen Hör- und Seherlebnisse, die Schläpfer ihnen bescherte, ihr Kunstverständnis bereicherten. Das Vertanzen von Kompositionen eines Morten Feldmann, Witold Lutoslawski oder einer Adriana Hölszky sind Konfrontationen. Abenteuer für Geist und Sinne, die es zu bestehen gilt.