Theater Enormer Andrang beim Tag der offenen Tür im Düsseldorfer Schauspielhaus

Düsseldorf · 8000 Besucher kamen am Samstag. Und bekamen – mit etwas Improvisation der Veranstalter – einiges geboten.

 Insgesamt 8000 Besucher kamen am Samstag ins Schauspielhaus zum Tag der offenen Tür. Zwischendurch hieß das: warten.

Insgesamt 8000 Besucher kamen am Samstag ins Schauspielhaus zum Tag der offenen Tür. Zwischendurch hieß das: warten.

Foto: Schauspielhaus/David Young

Tage der offenen Tür gibt’s viele – mit denen Schulen und Konzerthäuser, Museen und Theater werben. Doch was das Schauspielhaus im Rahmen seiner Jubiläums- und Wiedereröffnungs-Feier am Samstag auf die Beine gestellt hat, war alles andere ein „normaler“ Tag der offenen Tür. Eher eine Mischung aus Jahrmarkt, sinnlichem Musik- und Theaterfest und der Bestätigung für Christoph Ingenhovens zeitgemäße, effektvolle Eingriffe, die die denkmalgeschützte Architektur nach außen öffnet und jetzt jeden Düsseldorfer einlädt.

Andrang des Publikums Und sie kamen: In beiden Häusern, auf allen Bühnen, Gängen, Treppen und im Foyer gab es einen Ansturm, der alle überraschte und 350 Mitarbeiter aus allen Gewerken zum Improvisieren zwang: 8000 Besucher in wenigen Stunden. Zeitweise war es so voll, dass Besucher warten mussten, bis andere das Haus wieder verließen. War es Neugier auf den Umbau, auf Musik und Spiele, auf Top-Acts auf den Bühnen, die Lust auf Kostüme aus dem Fundus und an der Kostüm-Versteigerung? Egal. Der Andrang war so groß wie bei einer Kaufhaus-Eröffnung, einem Volksfest oder einem Rockkonzert.

8000 Besucher. Das ist rekordverdächtig: Nur wenige Sprech- oder Musiktheater der Republik entwickeln trotz anhaltender Bauphase und zahlreichen Ausweichspielstätten solch einen Sog, und mausern sich zum Kultur-Magneten für alle Familienmitglieder, von acht bis 85. Darunter alte Theaterhasen, aber auch sehr viel junges Publikum, das dann bis vier Uhr morgens durchtanzte, bei der Jubiläums-Party auf der großen Bühne, mit Schauspielhaus-Rocker Christian Friedel. Unter der Riesen-Krone von „Henry VI.“ (aus dem gleichnamigen Shakespeare-Stück), die wie ein Fanal des Sieges über diesem Tag schwebte.

  Intendant Wilfried Schulz (l.) musste spontan auf den großen Andrang reagieren.

Intendant Wilfried Schulz (l.) musste spontan auf den großen Andrang reagieren.

Foto: Schauspielhaus/David Young

Führungen und Versteigerung „Mission accomplished“ heißt es für das Team von Wilfried Schulz und Geschäftsführerin Claudia Schmitz, die zahlreiche Gruppen selber durch das neu gestaltete Haus führten, die Baumaßnahmen erklärten: Ihr „Dhaus“, wie sie es nennen, ist in der Düsseldorfer Gesellschaft angekommen. Berührungsängste oder Hemmschwellen vor Hochkultur? Alles Schnee von gestern. Geplant hatte man sechs Führungen, am Ende waren es 16 Gruppen, die immer größer wurden. Die Nachfrage nach dem Blick vor und hinter die Kulissen war so groß, dass sie ab März regelmäßig angeboten werden.

Um 16 Uhr sollte alles beginnen. Doch bereits eine Stunde vorher bildeten sich Schlangen von Besuchern vor dem Glasportal. Viele wollten endlich sehen, was sich hinter der noch nicht fertigen Fassade am Gustaf-Gründgens-Platz verbirgt. Andere kamen vermutlich wegen der Sonder-Auftritte bekannter Darsteller. Auch im Unterhaus. Kinder probierten goldbetresste Kleider, Hüte und Kostüme an, die von Dramaturgin Janine Ortiz und Alexej Lochmann wie auf einem bunten Jahrmarkt versteigert  wurden.

 Christian Friedel mit seiner Rockband „Woods of Birnam“.

Christian Friedel mit seiner Rockband „Woods of Birnam“.

Foto: Schauspielhaus/David Young

Top Acts Zu den Top-Acts luden Düsseldorfs Superstars André Kaczmarczyk und Christian Friedel samt Rockband „Woods of Birnam“. Über beide sprechen und schreiben alle. Beide singen, spielen, tanzen, haben Charisma, versprühen Charme, verausgaben sich für ihre Fans, Friedel beinah bis zur Erschöpfung. Kaczmarczyk gab mit fünf anderen Kostproben seines Liederabends „I build my time“ (Premiere 25. Januar). Friedel und Band heizten ein mit Hits aus „Hamlet“ („I call thee Hamlet“), „1984“ aber auch mit Nummern ihres neuen Albums. Mit Diskonebel und Lightshow. Klar, dass bei ihren Auftritten der Andrang groß war, das Publikum sich vor den Türen zum großen Haus in Geduld übte, bis zu 40 Minuten. Entspannt und ohne Murren. Parallel dazu bildete sich die nächste Warte-Schlange – für die Führung durch Backstage und Künstlergarderoben.

Sobald die Show begann, hörte man eine Stecknadel fallen. Danach, besonders bei Friedel, der in den höchsten Rock-Registern kreischte und dabei schön singen kann, setzten frenetische Jubel-Stürme ein. Eben wie bei Pop- oder Rock-Konzerten. Der Clou war die Zugabe: Friedel und Kaczmarczyk (alias „Valentine“) sangen zusammen mit Lou Strenger ein Lied von David Bowie aus dem Musical „Lazarus“.

Diese Mehrfachbegabungen sind die Trumpfkarten, die das Theater an diesem Tag ausspielt. Ebenso gefragt war „Düsseldorf, mon amour“ mit Wolfgang Reinbacher. Der Grandseigneur des Ensembles, der bereits vor 50 Jahren bei der Eröffnung des Hauses auf der Bühne stand. In lockerem Gespräch mit Kollege Moritz Führmann, der vom Alter her sein Sohn sein könnte, kramte „Wolfi“, wie ihn Freunde nennen, in seinen Erinnerungen. Im voll besetzten Kleinen Haus amüsierte er mit Anekdoten über sein erstes Engagement 1960 durch Karl-Heinz Stroux, die Studenten-Demonstrationen 1970 bei der Eröffnung, über zahlreiche Auftritte, kleine Missgeschicke, Begegnungen mit Berühmtheiten wie Heinrich Böll. Er erzählte von seiner 2011 verstorbenen Frau Eva Böttcher, mit der ebenfalls auf der Bühne gestanden hatte. Seine Erinnerungen, selbst an Details, sind nicht nur für Theater-Historiker eine reichhaltige Fundgrube.

Fazit Ein Tag der offenen Tür, der in die Theatergeschichte eingehen wird. Wenn’s gut läuft, werden viele der 8000 Besucher demnächst eine Theaterkarte kaufen.

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