Düsseldorf Kicktipp: Herr über 300 000 EM-Tippspiele

Aus einer kleinen Homepage für Freunde hat Janning Vygen ein erfolgreiches Unternehmen geformt: Kicktipp.

Janning Vygen in seinem Kicktipp-Büro. An ein hippes Startup-Unternehmen erinnert dort wenig.

Janning Vygen in seinem Kicktipp-Büro. An ein hippes Startup-Unternehmen erinnert dort wenig.

Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Natürlich könnte man jetzt denken, Janning Vygen würde jede Tipprunde der Welt gewinnen. Wer kennt sich schließlich besser damit aus als der Herr über 300.000 Tippspiele zur Fußball-EM? Als echten Experten für das Geschehen auf dem grünen Rasen sieht sich der Gründer und Kopf des Düsseldorfer Internetportals „Kicktipp“ aber trotzdem nicht. Obwohl er seit Jahren eine Dauerkarte für die Fortuna hat und auch sonst viel Fußball sieht. „Mal so, mal so“, beschreibt er seinen Erfolg in der Tipprunde, mit der vor zwei Jahrzehnten alles anfing — und die es immer noch gibt.

Ein Screenshot von der Homepage.

Ein Screenshot von der Homepage.

Foto: Melanie Zanin

Damals tippte der computerinteressierte Jurist mit Freunden regelmäßig die Bundesligaspiele. Doch irgendwann war er es leid, mit Zetteln zu hantieren und Mitspielern hinterherzutelefonieren. Er bastelte eine kleine Homepage für seinen Freundeskreis, auf der jeder seine Tipps selbst verwalten konnte. Mittlerweile ist daraus ein Unternehmen mit siebenstelligem Umsatz entstanden.

Julian Draxler erzielt das 2:0 für Deutschland gegen die Slowakei. Samstag geht es gegen Italien weiter. Die 3,5 Millionen Tipper werden genau hinsehen.

Julian Draxler erzielt das 2:0 für Deutschland gegen die Slowakei. Samstag geht es gegen Italien weiter. Die 3,5 Millionen Tipper werden genau hinsehen.

Foto: dpa

Bis es aber soweit war, brauchte es einen Zufall. Und der kam: „Irgendwann ist jemand auf der Seite vorbeigesurft und schrieb mir, dass er auch ein Online-Tippspiel machen will. Ich habe ihm die Software geschickt, er hat damit aber nicht viel anfangen können“, erzählt der heute 44-Jährige, der damals begann, seine Seite so umzuprogrammieren, dass die Software in der Lage ist, mehrere Tippspiele parallel zu verarbeiten. „Dadurch hatten wir dann zwei Runden, später waren es fünf, irgendwann war es nicht mehr aufzuhalten.“ Und das, obwohl Vygen nie Werbung machte, alles klappte über Mund-zu-Mund-Propaganda.

Trotzdem wuchs die Seite immer weiter. Vor allem während der großen Turniere. Zur Europameisterschaft 2000 hatte Vygen bereits zehntausende Tipper auf seiner Seite. Es war der Moment gekommen, an dem sich der gebürtige Duisburger, der seit 1998 in Düsseldorf lebt, entscheiden musste, wie es weitergehen soll. Und weil sein Referendariat als Jurist gerade vorbei war und er als Computer-Freak ohnehin eine kleine Software-Agentur gegründet hatte, ging er in die Vollen. „Wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich mir nach zwei Jahren eine Anwaltszulassung besorgt“, sagt Vygen. Aber dazu kam es nie.

Mittlerweile sind 3,5 Millionen Fußball-Fans auf Kicktipp registriert und in 300 000 Tipprunden von Firmen, Vereinen oder Freundeskreisen organisiert. Fällt ein Tor, kommen mehr als 50 000 Besucher auf die Seite — pro Sekunde. Schließlich rechnet das System in Echtzeit die neuen Punktestände und Ranglisten aus.

Für die Spieler ist das alles kostenlos, sie können im Gegensatz zu Seiten von Wettanbietern auch nichts gewinnen. Glücksspiel ist nichts Vygens Ding: „Erstens würde es rechtlich nicht gehen, zweitens haben wir nicht die Motivation. Es ist ein Spiel unter Freunden, und das soll es auch bleiben.“

Für ihn und den einzigen Mitarbeiter Peter Buning lohnt es sich trotzdem. Über Werbung und Profipakete — Unternehmen können die Software auf ihrer Seite einbinden und eigene Tippspiele anbieten — verdient er in seinen Augen genug. „Ich bin Software-Entwickler, kein Geschäftsmann. Wir haben auch keine Ziele, wir konzentrieren uns auf das Produkt — und das ist gut.“

Allüren sind Vygen trotz des Erfolgs fremd. So sieht auch sein Büro unweit der Königsallee aus: Nichts deutet auf Fußball hin, nichts auf den Erfolg. Auch Vygen selbst kommt ohne gewollt lässiges Outfit oder den typischen Marketingsprech aus. Er freut sich einfach, dass er seine beiden Hobbys — Computer und Fußball — zu einem erfolgreichen Beruf vereint hat.

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