„Kein Artenschutz für Religion“

Kruzifix, Meisner, Mullahs: Jacques Tillys Karnevalswagen haben für Aufregung gesorgt. Er gehört zum Kuratorium der Giordano Bruno Stiftung, die gegen alle Religionen arbeitet.

Düsseldorf. Der Düsseldorfer Karneval ist stolz auf Jacques Tilly. Der 43-jährige Bildhauer und Kommunikationsdesigner hat sich mit seinen künstlerisch anspruchsvollen, spektakulären Mottowagen für den Rosenmontagszug längst republikweit einen Namen gemacht. Vor allem, weil der Meister des gebauten Witzes gerne an die Grenzen der Narrenfreiheit geht.

Weniger bekannt im Karneval dürfte sein, dass Tilly ein scharfer Gegner aller Religionen ist. So sitzt er im Kuratorium der Giordano Bruno Stiftung (siehe Kasten), dem "Think-Tank der deutschen Atheisten" ("Der Spiegel").

Woher kommt eigentlich Ihre Aversion gegen das Christentum?

Jacques Tilly: Ich habe eher eine Aversion gegen religiöses Denken, das sich in der Politik breit macht. Letztlich sind für mich Religionen Wahngebilde, und ich möchte nicht, dass die solch einen beherrschenden Einfluss haben. Als Demokrat lege ich großen Wert auf die Trennung von Kirche und Staat - in Deutschland zum Beispiel gilt die aber leider nur formal, nicht faktisch.

Seit wann befassen Sie sich so intensiv mit Religion und Humanismus?

Tilly: Ein Auslöser war im Januar 1996 Ihre Zeitung. In der WZ erschien im Zusammenhang mit dem Streit um meinen Kruzifix-Wagen ein absolut unverschämter Leserbrief von Monsignore Moll, in dem der ehrenwerte stellvertretende Stadtdechant sogar den Holocaust-Knüppel gegen mich einsetzte. Beide Kirchen starteten damals eine regelrechte Kampagne gegen den Wagen und hatten letztendlich Erfolg. Das zeigte mir, wie groß ihr Einfluss in Düsseldorf noch war. Ich begann kirchenkritische Bücher, vor allem von Karlheinz Deschner, zu lesen, das Thema hatte mich gepackt.

Aber die Stiftung und auch Sie langen ganz schön deftig zu, zum Beispiel mit der Postkartenaktion "Glaubst du noch oder denkst du schon?" Halten Sie ernsthaft alle Christen und Theologen für naive Nicht-Denker?

Tilly: Nein, der Spruch ist auch nicht meiner, das ist mir zu sehr schwarz-weiß gedacht. Aber ich habe durchaus die Theologen auf dem Kieker, da scheint mir viel Schaumschlägerei im Spiel zu sein. Sie wissen selbst, dass man in der Mediengesellschaft stark zuspitzen muss, um gehört zu werden - die schärfste These kommt sozusagen durch. Auch deshalb sind manche meiner satirischen Karnevalswagen stark gepfeffert. Im persönlichen Gespräch mag ich so eine Art gar nicht. Im Karneval aber lässt sich keine Partei, Religion oder Weltanschauung unter Artenschutz stellen.

Verstehen Sie den Vorwurf der Verletzung religiöser Gefühle von vielen Menschen?

Tilly: Mir geht es um eine kritische Gegenstimme bei all der Jubelei - etwa um den alten und den jetzigen Papst. Ich veräppele aber nie das religiöse Zentrum an sich, nur hohe Würdenträger wie Kardinal Meisner. Zu dessem Wagen 2005 hat mich übrigens auch die WZ mit einem sehr scharfen Kommentar gegen Meisner ermutigt. Beim Kruzifix-Wagen 1996 jedoch wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, dass man in der Narrenfigur am Kreuz eine Verhöhnung Jesu sehen könnte.

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