Gastbeitrag Karneval lässt Druck aus der Gesellschaft

Unter der Narrenkappe kann jeder sagen, was er für die Wahrheit hält, ohne zu eifern.

Heinz Frantzmann ist Pfarrer an der evangelischen Johanneskirche

Heinz Frantzmann ist Pfarrer an der evangelischen Johanneskirche

Foto: Diakonie Düsseldorf

Närrische Zeiten. Karneval in Düsseldorf, Fastelovend in Köln und Umgebung, Fassenacht in Määnz, Fasnet im Alemannischen, überall sind die Narren los. Die fünfte Jahreszeit ist kulturell prägend und anerkannt.

Immerhin: Auch Martin Luther hat sich selbst als Narren bezeichnet, sogar mehrfach in seinen Schriften. Er hat sich dabei auf die Freiheit des Hofnarren bezogen, der allen am Hof ungestraft die Wahrheit sagen durfte. Wenige Menschen schätzen die ungeschminkte Wahrheit, zu Luthers Zeiten konnte einen das den Kopf kosten. Der Hofnarr genoss jedoch einen gewissen Schutz, man durfte ihm nicht an den bunten Kragen, auch wenn das, was er sagte, nicht allen schmeckte.

Als Hofnarr war Luther in guter biblischer Tradition, denn schon der Apostel Paulus hat sich den Korinthern gegenüber als „Narren um Christi willen“ bezeichnet und dabei eine gehörige Portion subtiler Ironie an den Tag gelegt, die den Korinthern nicht geschmeckt haben dürfte. Heute ist die Wahrheit in vielen Ländern der Welt nach wie vor ein gefährliches Gut und den Menschen dort hilft kein Narrenkostüm. Es ist eine durch viele Kämpfe errungene Freiheit, dass wir in Deutschland einander das sagen dürfen, was wir für die Wahrheit halten, ohne dafür ins Gefängnis zu wandern oder gar den Kopf zu verlieren.

Mag sein, dass es den Funkenmariechen und närrischen Gardeoffizieren, die an diesem Wochenende durch Düsseldorf, Mainz oder Köln marschieren, nicht ganz bewusst ist: Aber ihre Kostüme sind ursprünglich eine mutige Persiflage militärischen Machtgehabes. Die Tradition der literarischen Fasnacht und ihre Büttenrede pflegt die Erinnerung daran. Mit gewitzter Satire, treffsicherem Spott und beißender Häme stellten die Zerlumpten die „Betuchten“ bloß und holten für ein paar Tage die Könige vom Thron.

Unter der Narrenkappe, im Schutz seiner Verkleidung kann jeder sagen, was er für Wahrheit hält. Karneval öffnet den Kessel und lässt den Druck aus Gesellschaften. Doch dabei gibt es Grenzen. Wenn die Wahrheitsliebe zur Treibjagd bläst und zum blinden Eifer wird, der verbal über Leichen geht, dann verlassen wir den Boden unserer christlichen Kultur. Die Liebe freut sich an der Wahrheit, aber sie eifert nicht und gibt den anderen nicht zum Abschuss frei. Ich freue mich immer wieder, humorvollen Menschen zu begegnen. Sie haben die Wahrheit nicht für sich gepachtet, sie lassen Platz für andere Meinungen, Ansichten, Kulturen und Religionen.

Einen guten Start in die Karnevalstage wünsche ich Ihnen. Egal, ob sie dabei mitmachen oder das Ganze stattdessen mit Ihrem ganz eigenen Humor betrachten.

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